Enttäuschender Eskapismus
Ein unerwarteter Brief und eine spontane Reise nach Guernsey verändern das Leben einer jungen Schriftstellerin für immer: „Deine Juliet“ weist trotz brillanter Buchvorlage einige Schwächen auf.
London in den späten 40er Jahren: Die junge Journalistin Juliet Ashton (Lily James) erhält eines Tages einen außergewöhnlichen Brief. Der literaturbegeisterte Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman) lebt auf der abgelegenen Kanalinsel Guernsey und ist auf der Suche nach einem besonderen Buch, wofür er Juliet um Hilfe bittet. Juliet ist sofort angetan von Dawseys Brief. Umso mehr, als sie erfährt, dass er zusammen mit einigen Bewohnern von Guernsey den Literaturverein „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ gegründet hat. Dessen liebenswerte und teils exzentrische Mitglieder halfen sich damit über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinweg, als die Insel von Deutschen besetzt war. Juliet beschließt kurzerhand, nach Guernsey zu reisen und einen Artikel über den Buchclub zu schreiben. Auf der Insel angekommen, lässt sie die Geschichte ihrer Bewohner schon bald nicht mehr los und langsam beginnt sie zu begreifen, was sich in den schrecklichen Jahren der Inselbesetzung zugetragen hat. Und sie versteht, dass sie eine große Entscheidung treffen muss, die auch ihr eigenes Leben für immer verändern wird.
Dass Kunst und Literatur die Macht besitzen, Tyrannei zu überwinden, ist kein unbekanntes Motiv in Romanen oder Filmen. Das Drama „Deine Juliet“ kann sich leider nicht so richtig entscheiden, ob es sich dieser Botschaft als romantischer Kitsch, historischer Kriegsfilm oder pittoreskes Drama nähern will.
Sehr schade ist es, dass der Originaltitel „The Guernsey Literary And Potato Peel Pie Society“ zum nichtssagenden „Deine Juliet“ abgeändert wurde – der lange Name in seiner gesamten Pracht würde den Charakter des gleichnamigen Bestsellers ehren, auf dem der Film basiert.
Es ist zweifelsfrei eine Herausforderung, aus einem Briefroman, dessen Handlung zwei Zeitabschnitte vereint, eine fesselnde Kinogeschichte zu machen. Ob es in diesem Fall gelungen ist, muss wohl jeder selber entscheiden. Den Wechsel aus Rückblenden zur Kriegszeit und dem aktuellen Insel-Geschehen gibt es zwar im Film auch, aber er funktioniert nicht wirklich. Der historischen Besatzungssituation in Guernsey kann „Deine Juliet“ nicht die Beachtung geben, die sie verdient. Es gibt durchaus Szenen, wie die Evakuierung der Kinder als Schutz vor der Gewalt der Besatzer, die überaus gelungen mit Emotion und Atmosphäre spielen. Oft jedoch gelingt dies nicht in überzeugendem Maße. Man denke nur an Kristin Hannahs Bestseller-Roman „Die Nachtigall“, die das Leben und den täglichen Kampf im besetzen Frankreich des Zweiten Weltkrieges doch so viel besser aufgreift…
Die harmonischen Landschaftsaufnahmen der Kanalinsel entschädigen für manche Schwachstelle des Films, können ihn aber auch nicht ganz retten. Vor allem das Klischee-Ende will gar nicht so richtig zum Rest passen, obwohl oder vielleicht gerade weil hier das erste Mal die Romantik aufkommt, die der irreführende Filmtitel und das kitschige Filmplakat versprechen.
„Deine Juliet“ fehlt nicht nur der Charme der Romanvorlage, sondern auch der Blick fürs große Ganze und schlicht und ergreifend das gewisse Etwas. Das mag den Film zur netten Unterhaltung machen, haut sonst aber nicht wirklich aus dem Kinosessel.
Einen kleinen Pluspunkt muss ich dennoch vergeben: Mein Matthew-Goode-Fangirl-Herz schlägt bei jeder seiner noch so kleinen Rollen höher – und hier weiß der Schauspieler („The Imitation Game“, „The Crown“) als Juliets Verleger zu überzeugen! Hätte man ihm mal mehr Screen-Time gegeben…
In den Kinos ab 09. August
Fotos: Copyright Studiocanal GmbH
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