„Uns ist es passiert. Anderen soll es nicht widerfahren“
Vorletzte Woche wurden drei Theaterstücke der Bühne für Menschenrechte in Leipzig aufgeführt. Schauspieler*innen verliehen in Monologen und Dialogen Betroffenen von Rassismus ihre Stimmen.
Der Saal war voll, bei allen drei Aufführungen der Bühne für Menschenrechte, die zusammen zum ersten Mal außerhalb von Berlin in Leipzig aufgeführt wurden. Die Stücke „Asyl-Dialoge“, „Asyl-Monologe“ und „NSU-Monologe“ des Regisseurs Michael Ruf erzählen persönliche Geschichten von Menschen, die Erfahrungen mit Flucht oder Rassismus machen mussten. Das Publikum soll dadurch für diese Themen sensibilisiert und zum Aktivismus ermuntert werden. Dazu dient ein einfaches Konzept: Monologe und Dialoge, ohne Kostüme oder Bühnenbild. Begleitet werden die Stimmen der Schauspielenden nur von Cello und Gesang. Die Texte sollen berühren aber auch ermutigen und Hoffnung geben. Sie stammen aus Interviews, von Reden und Protokollen, wurden nicht verändert, sondern lediglich verdichtet und gekürzt. Dieses „wortwörtliche Theater“ schafft Nähe zum Geschehenen, indem es fast dokumentarisch einzelne Schicksale aufzeigt.
Asyl- Dialoge und -Monologe
Sowohl die Asyl-Monologe als auch die Dialoge beschäftigten sich mit dem Thema Flucht und Asyl. Die Monologe, erklärt Ruf, sind zu einer Zeit entstanden, zu der über das Thema Asyl nur wenig oder voller Vorurteile gesprochen wurde. Die Stimmen und die tatsächlichen Erfahrungen von Geflüchteten kamen dabei zu kurz, hier setzen die Stücke an. Die Monologe erzählen drei Schicksale – das von Ali aus Togo, Felleke aus Äthiopien und Safiye aus der Türkei. Alle drei sind aus unterschiedlichen Gründen geflüchtet und kämpfen anschließend vehement um Anerkennung. Die Dialoge gehen noch einen Schritt weiter. Sie erzählen insgesamt fünf Geschichten, diesmal aus verschiedenen Perspektiven. Beide Stücke haben eine beachtliche emotionale, wie auch politische Kraft.
NSU- Monologe
„Wir hielten Deutschland früher für ein aufrichtiges und gerechtes Land“, erzählt Raschid Daniel Sidgi und man spürt Enttäuschung in seinen Worten. Er verleiht Ismail Yozgat, dem Vater des vom NSU ermordeten Halit Yozgat seine Stimme. Neben ihm stehen drei weitere Schauspielerinnen, die für Halits Mutter Ayze Yozgat und die Ehefrauen zwei weiterer Opfer des NSU Elif Kubaşık und Adile Şimşek sprechen. „Uns ist es passiert, anderen soll es nicht widerfahren“, so Adile Şimşeks Worte, mit denen das Stück beginnt.
Die rechtsterroristische Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübte von 1999 bis 2011 zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Mit den NSU- Monologen soll der Fokus weg von den Täter*innen des NSU und hin zu den Betroffenen gerichtet werden. Das Stück beruht auf Interviews mit den Angehörigen der Opfer des NSU und Mitschnitten vom nun vollendeten Gerichtsprozess. Man muss schmunzeln, denn die Geschichten der Angehörigen erzählen von schönen und lustigen Momenten, von Menschen, die Ehemann, Freund, Vater oder Sohn waren. Doch spätestens als die Erzählungen zum Mord an ihren Geliebten kommen, hat man einen Kloß im Hals. Enver Şimşek, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat wurden mit mehreren Schüssen in den Kopf umgebracht. Und das, aufgrund ihres vermeintlichen Nicht-Deutsch-Seins. Jahrelang wurden die Opfer und Angehörigen von den Ermittlungsbehörden und den Medien angeprangert, selbst in die Morde verwickelt gewesen zu sein. „Sie sagten zu uns, dass Halit erschossen wurde, weil wir krumme Geschäfte betrieben haben“ – so die Stimme von Halits Vater Ismail Yozgat. Schon früh wiesen die Angehörigen der Opfer auf einen möglichen rechtsterroristischen Hintergrund der Morde hin, doch erst als sich der NSU 2011 zu den Taten bekannte, wurde ihnen geglaubt. Das Zitat des Vaters Ismail Yozgat beendet das Stück und lässt eine Leere hinter sich: „Wir könnten den Verlust leichter vertragen, wenn Halit nicht so ein wundervoller Mensch gewesen wäre.“
Aktiv werden
Im Rahmen der Veranstaltungen der Bühne für Menschrechte gab es jedes Mal ein Nachgespräch im Anschluss an die Stücke. Hierzu wurden Aktivist*innen aus Leipzig eingeladen um von ihrer Arbeit zu erzählen und gemeinsam mit dem Publikum zu diskutieren. „Unser Ziel ist es somit, einen niederschwelligen Einstieg von eigenem Engagement für eine bessere Geflüchteten-Politik oder gegen Rechtsextremismus vorzubereiten.“ erklärt Ruf. Bei den Nachgesprächen in Leipzig wurde unter anderem darüber geredet, wie wichtig es ist im Alltag aufmerksam für rassistische Angriffe und rassistisch motivierte Personenkontrollen zu sein und Betroffenen zu helfen.
In Leipzig sind momentan keine weiteren Aufführungen der Asyl-/ NSU-Monologe oder der Asyl-Dialoge geplant. Aktuell werden jedoch Interviewpartner*innen für ein neues Stück der Bühne für Menschrechte gesucht: die Mittelmeer-Monologe. „Da geht es auch wieder um die Perspektive von Geflüchteten Menschen. Mit Fokus Seenotrettung“, kündigt Michael Ruf an. Im Frühjahr 2019 sollen die Mittelmeer-Monologe zum ersten Mal aufgeführt werden.
Fotos: Lisa Wollmannstetter
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