Wer hat an der Uhr gedreht?
Die Uhren wurden umgestellt - vielleicht zum vorletzten Mal. Wann und warum wurde die Zeitumstellung überhaupt eingeführt? Und sind diese Gründe heute noch wichtig?
Studierende aufatmen: heute Nacht wurde euch eine Stunde Schlaf geschenkt. Ja, es war wieder soweit: in der EU wurden am Sonntag um 3 Uhr morgens die Uhren um eine Stunde zurückgestellt und somit die Winterzeit eingeleitet. Doch nach aktuellem Stand könnte es bereits das vorletzte Mal sein.
Der Erste, der sich zur Idee der Umstellung äußerte, war Benjamin Franklin, als er 1784 in der französischen Zeitung Journal de Paris schrieb, in den sommerlichen Abendstunden werde Energie durch künstliches Licht verschwendet. Die logische Konsequenz: früher aufstehen und früher schlafen gehen.
1916 wurde im Deutschen Reich erstmals die Sommerzeit als Maßnahme zur Energieeinsparung eingeführt. Damals allerdings noch nicht der Umwelt zuliebe, sondern durch den Krieg bedingt: Durch eine zusätzliche Stunde natürlichen Lichts am Abend hatte man auch eine Stunde mehr Arbeitszeit zur Verfügung.
Nach dem Krieg wurde die unbeliebte Regelung wieder rückgängig gemacht – nur um 1940 von den Nationalsozialisten aus denselben Gründen wieder eingeführt zu werden. Doch auch dieses Mal währte die Umstellung nicht besonders lang, die Ost- und Westregierungen entschieden sich 1949 für die Abschaffung. Danach drehte knapp 30 Jahre niemand an den Uhren. Erst als Folge der Ölkrise 1973 und mit der wachsenden Kooperation der europäischen Länder kamen Diskussionen um eine gemeinsame Einführung der Sommerzeit auf. Jedoch stand nicht der ökonomische Aspekt im Vordergrund, sondern die Vorteile für den Binnenmarkt und die zeitliche Abstimmung Europas. So beschlossen beide deutschen Staaten 1980 die Einführung der Sommerzeit. 1996 vereinheitlichte die EU die Regelungen für alle Mitgliedsstaaten.
Nach diesem historischen Hin und Her nun also wieder die endgültige Abschaffung? Einer Online-Umfrage der EU-Kommission im Juli zufolge stimmten 84 Prozent der Teilnehmer für eine Abschaffung der Zeitumstellung. Die Kommission legte daraufhin einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Dem ZDF-Morgenmagazin gegenüber erklärte der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker: „Die Menschen wollen das, wir machen das“. Im Falle der Zustimmung vom EU-Parlament und den Länderregierungen solle im März 2019 das letzte Mal gemeinschaftlich umgestellt werden – danach bliebe es jedem Staat selbst überlassen, welche Zeit er beibehalten wolle.
Unter den insgesamt 4,6 Millionen Teilnehmern der Umfrage befanden sich im Übrigen rund drei Millionen Deutsche. „Eine Bestätigung, dass gerade in unserem Land das Thema stark diskutiert wird“, schlussfolgert Laura Bethke von der Berliner Pressestelle der Kommission. Auf die Frage, ob eine Eigenentscheidung der Länder der EU als Einheit schaden könnte, meint sie: „Wir halten die Mitgliedstaaten dazu an, sich abzusprechen und zum Beispiel als angrenzende Staaten die gleiche Entscheidung zu treffen. Wir versuchen, die Länder zusammen zu bringen“. Letztendlich bliebe der Entschluss aber Sache der einzelnen Staaten, man wolle keine Vorschreibungen machen. Wie eine solche Entscheidung in Deutschland getroffen werden könnte, ist noch unklar. In einer Umfrage des Kantar Emnid Instituts darüber, welche Zeit die Deutschen bevorzugen würden, sprach sich eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für die Sommerzeit aus.
Eindeutig scheint aber, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung sich die Abschaffung der Umstellung wünscht, was eine Umfrage der DAK-Krankenkasse vom Frühjahr 2018 bestätigt: 73 Prozent der Teilnehmenden stimmte für ein Ende des Uhrenverstellens.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich deutlich mehr Nachteile der Umstellung finden lassen, als es Vorzüge gibt. Das Argument der Energieeinsparung, das sich seit langer Zeit hartnäckig hält, ist ein Trugschluss, wie die Bundesregierung 2005 bestätigte. Tatsächlich sei zu bedenken, dass zwar zur Sommerzeit abends elektrisches Licht gespart werde, aber durch das frühere Heizen zur Winterzeit der allgemeine Energieverbrauch eher ansteigt. Zudem wurde festgestellt, dass besonders Menschen mit Schlafstörungen oder organischen Krankheiten Probleme bei der Umstellung hätten. Dies ist auch in der Tierwelt der Fall: Kühe bräuchten bis zu zwei Wochen, um sich auf die neuen Melkzeiten einzustellen.
Selbst die Religionsausübung wird erschwert, denkt man nur an die Gebets-und Fastenzeiten im Islam und Judentum. Diese richten sich zwar nach dem Stand der Sonne, werden aber durch die Sommerzeit verändert und die Abstände somit verlängert. Befürworter der Umstellung halten dagegen, die abendliche Helligkeit im Sommer führe zu mehr Produktivität, wohingegen es an heißen Tagen morgens eine Stunde länger kühl sei.
Die EU wäre jedenfalls nicht der erste Staatenbund mit uneinheitlicher Zeitenregelung: in den USA gibt es einen unverbindlichen Plan, wann umgestellt wird, einige Bundesstaaten wie Arizona oder Puerto Rico folgen zum Beispiel einer anderen Zeit – so auch in Kanada und Mexiko. Mit der Abschaffung der Umstellung würde man dem Beispiel Russlands folgen, wo dies schon 2014 geschah.
Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern vielmehr wann und wie es zu einem Ende der Umstellung kommen wird und ob Europa danach als Flickenteppich der Zeit existiert.
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