Über das Kolumnenschreiben
Kolumnistin Franzi ist sich seit längerem sicher, dass das Verfassen von persönlichen Texten auf direktem Wege zum Weltfrieden führt. Nun leistet sie selbst ihren Teil.
Ich sitze an meinem Küchentisch. Meine Aufgabe: meine unendliche Weisheit mit der Welt teilen. Via ein paar Zeichen, vielleicht 2.000. Nichts leichter als das. Erst mal das Feld ausfindig machen, auf dem man etwas mitzuteilen hat. Vielleicht etwas Erheiterndes? Etwas Persönliches? Etwas Persönlich-erheiterndes? Oder, am allerbesten, etwas richtig Gesellschaftskritisches? Vielleicht könnte ich heute eigenständig das Patriarchat umstürzen, so wie das Margarete Stokowski jede Woche auf Spiegel-Online macht. Das muss man sich mal vorstellen, jede Woche. Das bedeutet ja, dass das Patriarchat nach jedem Umsturz innerhalb einer Woche wieder neu aufgestellt wird, damit es dann von Margarete Stokowski wieder umgestürzt werden kann. Vielleicht ist die Umstürzung von ihr aber auch ganz gut abgedeckt, und ich muss mich da nicht mehr einmischen.
Also sollte es ein anderes Gebiet sein. Lieber etwas in die Richtung von ZEIT-Kolumnist Josef Joffe, der ebenfalls jede Woche unumstößlich und glasklar deutlich macht, wie sich das mit der Weltpolitik verhält. Deutschland gut, Amerikaner gut, Naher Osten doof, Bomben wichtig und richtig. Diese Woche geht es um den Pöbel, den, der eigenständig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein ums andere Mal die falschen Entscheidungen trifft und deshalb für sein eigenes verachtungswürdiges Schicksal nun mal selbst verantwortlich ist. Da kann Joffe auch nichts dran ändern. Hoffentlich lesen die Gelbwesten in Frankreich seine Kolumne „Aufruhr-Ritual“ und sehen dann ein, dass sie da draußen auf der Straße nur ein immer wiederkehrendes Muster aus Empörung, Verwüstung und schlussendlich Reformunwilligkeit wiederholen. Das gab es schon vor 200 Jahren genauso, weiß der weise Joffe. Bestimmt sehen die Franzosen nach dieser scharfsinnigen Analyse ihre Fehler ein und setzen sich wieder auf die Couch. Ich sehe schon, auch hierzu ist nun alles gesagt.
Ich blättere mal weiter, zu Joffes Kollegen Harald Martenstein im ZEITmagazin. Dass dessen Ansichten auf die Welt meistens scheinen, als wären sie aus der BRD der 50er-Jahre importiert, hat nicht zu stören, denn Kolumnen sollen schließlich die grandiose Meinungsvielfalt wiederspiegeln, die man hierzulande vorfinden kann. Also auch die der Mittfünfziger, die eines Tages aufwachten und feststellten, dass die Gesellschaft sie nun endgültig überrundet hatte. Allerdings frage ich mich, ob ich mit meinen 21 Jahren in diesem Bereich Authentizität vorweisen kann. Ich fürchte, das ist schwer möglich.
Vielleicht etwas Skandalträchtiges, etwas richtig Anrüchiges, etwas, bei dem die Leute denken, „ja mei, was die sich alles traut“. Irgendwas über das Sexualleben von menschlichen Wesen in ihren Zwanzigern, das wäre sicher mitreißend. Der weibliche Orgasmus! Das ist doch mal ein Thema. Klitoral, vaginal, saisonal, antikolonial, darüber lässt sich doch viel sagen. Wichtige Geschichte auf jeden Fall. Vielleicht sollte man mal Experten dazu befragen. Sexualtherapeuten, Soziologen, Leute, die sich richtig mit der Angelegenheit auskennen. Oder lieber nicht, das wäre doch viel zu einfach.
Titelbild: Pixabay
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