Die Jahresuhr steht niemals still
Kaufland-Evakuierung, Waffenverbotszone, rausgentrifizierte Clubs – in Leipzig wurde es 2018 nie langweilig. Wir haben die wichtigsten Ereignisse des Jahres für euch zusammengefasst.
Dein Kurzzeitgedächtnis braucht Platz für den Klausurenstoff, der Anfang nächsten Jahres abgefragt wird, und du weißt nicht, welche Daten du rüber aufs Langzeitlaufwerk schieben sollst, welche in den Papierkorb? Kein Problem. Wir verraten dir, was speicherwürdig ist. Hier und jetzt im offiziellen student!-Leipzig-Jahresrückblick.
Gentrifizierung
Im Februar öffnete zum letzten Mal das 4rooms in Reudnitz. Der Club wurde erst klassisch von einem neuen Investor rausgentrifiziert, aber dann kam der Plot-Twist: Die Stadt kaufte das Gebäude und baut dort jetzt eine Schule. Im August traf es dann den nächsten Club: die Alte Damenhandschuhfabrik in Plagwitz. Das So&So auf dem Gelände des ehemaligen Eutritzscher Ladebahnhofs befindet sich mitten in seinem Last-Ten-Countdown. Die letzte Fete steigt Silvester. „Dann geh‘ ich halt drei Meter weiter in den TV-Club“, magst du jetzt denken. Das ist aber auch nur noch nächstes Jahr möglich. Danach muss der beliebte Studentenclub dem geplanten neuen Stadtteil ebenfalls weichen.
Auf die Barrikaden
Im Sommer ging kurz das Gerücht um, die Zweinaundorfer Straße in Anger-Crottendorf hätte der Eisenbahnstraße in Neustadt-Neuschönefeld den Ruf als gefährlichste Straße Deutschlands abgenommen. Die BILD sprach von „Drogen, Raub und blutigen Fehden“. Aber seit Anfang November ist wieder alles im Lot, denn nicht die Zweinaundorfer Straße ist zur Waffenverbotszone geworden, sondern die Eisenbahnstraße. Du solltest es dir jetzt zweimal überlegen, ob du Leuten, die in der Zone wohnen, beim Umzug hilfst. Da tauschst du sonst ganz schnell deinen Schraubendreher gegen einen Bußgeldbescheid. Es ist Anwohnern laut Polizei Sachsen zwar erlaubt, Waffen beziehungsweise gefährliche Gegenstände in einem „verschlossenen Behältnis“ zu transportieren. Was als solches Behältnis gilt, wird aber nicht erläutert. Vielleicht reicht ja ein Rucksack.
Feuer und Panne
Der August war ein heftiger Monat für Reudnitz in Sachen Polizei und Rettungskräfte. Zuerst explodierte der Dönerladen Bistro Anatolien in der Oststraße und brannte vollständig aus. Zurück blieb ein unbewohnbares Mehrfamilienhaus. Ein paar Tage später wurde in einem polizeilichen Großeinsatz das komplette Kaufland evakuiert, weil eine 32-jährige Frau per Notruf eine verdächtige Person gemeldet hatte. Gefunden wurde niemand. Es handelte sich vermutlich um ein Missverständnis.
Manege frei
Weißt du noch, wie du in den letzten Monaten dachtest, du leidest an Wahrnehmungsstörungen, weil du auf dem Nach-Hause-Weg vom IfZ an Schneehaufen vorbeigelaufen bist? Hat alles seine Richtigkeit. Seit September ist der Kohlrabizirkus die neue Spielstätte der Leipziger IceFighters.
Darüber hinaus wurde Leipzig Spielstätte einer Scripted-Reality-Serie, die ein Ableger dieser anderen Scripted-Reality-Serie aus Köln mit der Postleitzahl ist und die man nicht mal als Trinkspiel gucken kann. Für nächstes Jahr wollen wir dann aber was anderes. Vielleicht können ja die Avengers nochmal herkommen.
Möglicherweise gibt es in Leipzig jetzt ein Katzencafé. Zumindest stand da ein oder 35 Mal etwas in die Richtung in der LVZ. Und das, obwohl doch eigentlich das Alpaka das Trendtier 2018 ist.
Das liebe Geld
Nachdem uns die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer bei der diesjährigen WM in Russland ein etwas anderes Sommermärchen beschert hat, scheint das Interesse an Länderspielen nur so mittelstark zu sein. Das Freundschaftsspiel im November gegen Russland in der Red Bull Arena war längst nicht ausverkauft. Notfallplan: Studierende der Universität Leipzig via StuRa mit Zehn-Euro-Karten ins Stadion locken. So füllte sich immerhin noch ein Block mehr. Hinterher wurde dann etwas über wenig Support der Fans genörgelt. Vielleicht sollte der DFB mal ein paar Forschungsgelder raushauen. Dann halten die Studierenden bestimmt noch ein paar Runden La-Ola-Welle mehr durch.
Verwendung dafür gäbe es an jeder Ecke. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Adipositas verstehen“ der Universität Leipzig könnte zum Beispiel etwas Unterstützung gebrauchen. Der im Februar eingereichte Exzellenzcluster-Antrag wurde nämlich abgelehnt und somit gibt es keine Extragelder von Bund und Ländern. Damit fehlen dem Projekt Mittel, beispielsweise für den geplanten Aufbau von Professuren und Nachwuchsgruppen.
Sein Geld auch lieber anders verwenden könnte Siemens. Laut der Tageszeitung Die Welt gab der DAX-Konzern über US-Tochtergesellschaften insgesamt 168.000 Dollar für Wahlkampfspenden in den USA aus. Davon gingen etwa 60 Prozent an die Republikaner unter Präsident Donald Trump – und das in einem Land, in dem Parteispenden von Firmen eigentlich verboten sind. Währenddessen verkündete Siemens Ende letzten Jahres die Schließung seines Werks in Plagwitz. Nach monatelangem Protest kam dann im Mai die Entwarnung. Das Werk bleibe bestehen, soll voraussichtlich verkauft werden. Der Erfolg von Betriebsrat und Gewerkschaft in Leipzig bedeutet aber Stellenabbau an anderen Standorten. Denn an den angestrebten Einsparungen will Siemens festhalten.
Anschnallen
Und nun die absolute Überraschungsnachricht und das ist kein Scherz: Die Ticketpreise der Leipziger Verkehrsbetriebe bleiben in den nächsten zwei Jahren konstant. Verrückt. Was sollen wir denn zum Jahresende ohne dieses klassische Symbolbild machen, in dem Stadtwerke, Post und Bahn zusammen den WhatsApp-Chat „Teurer werden 2019“ eröffnen und die Bahn „Hab‘ ich schon längst gemacht, lohnt sich“ schreibt?
Geburtstagskind
Im Lotto gewinnen und mit ein bisschen Glück nicht mehr über Crowdfunding und Anzeigenakquise nachdenken müssen? Theoretisch ginge das (praktisch aber nicht, weil wir kein Geld für Lottoscheine haben – Teufelskreis). student! ist nämlich jetzt volljährig. Am 21. Juni 2000 wurde unser Verein, der die Zeitung monatlich herausgibt, gegründet. Geschenke nehmen wir gerne auch noch nachträglich in Form von Facebook-Likes entgegen. Kuchen mögen wir auch 😉
Artikelfoto: Tim Paul Büttner
Grafik: Marie Nowicki
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