Es kann nur eine geben
Klassische Historie neu aufgelegt: Zwei Königinnen kämpfen in „Maria Stuart“ um die Throne Englands und Schottlands im 16. Jahrhundert – gegen einander und gegen die Männerwelt um sie herum.
Der Brexit steht hämisch grinsend vor der Tür und prompt erinnert uns Regisseurin Josie Rourke an die verwickelten Ursprünge des Vereinigten Königreiches. Da kommt ihr die faszinierende Lebensgeschichte der unglückseligen schottischen Königin Maria Stuart entgegen, die mit derjenigen ihrer englischen Cousine Elisabeth in „Game of Thrones“-Manier verwickelt ist: Intrigen, Kostüme, nordisch karge Landschaften.
Schottland 1560: Nach dem frühen Tod ihres Ehemanns, des Königs von Frankreich, kehrt die junge Maria (Saoirse Ronan) als Königin in ihre Heimat zurück, die von ihrem protestantischen Halbbruder, dem Earl of Moray, kontrolliert wird. In England regiert mittlerweile Elisabeth I. (Margot Robbie), doch sieht die Katholikin Maria sie nicht als rechtmäßig an und beansprucht ihren Thron. Zu allem Übel hetzt im eigenen Lande auch noch der radikal-protestantische Reformator John Knox gegen die Alleinherrschaft einer Frau. In diesem komplexen Geflecht muss Maria ihre Krone behaupten.
Wenngleich die Titelfigur im Vordergrund des Films steht, so wechselt die Perspektive doch die gesamten 125 Minuten hindurch zwischen ihr und Elisabeth, stellt beide Herrscherinnen einander konsequent gegenüber und formt so ein Doppelporträt: Maria – jünger, hübscher, dem Leben zugewandt – nutzt die epochentypische Heirats- und Geburtenpolitik, aber auch das Schwert, um ihre Sache voranzubringen, während die ältere, vorsichtigere Elisabeth als „virgin queen“ ihr Leben lang mit Sexualität und Mutterschaft hadert, sich als „mehr Mann denn Frau“ fühlt.
Überhaupt ist das Private politisch – für wen mehr als Monarchen? – und so schneidet der Film dann auch eine Vielzahl von intimen und sexuellen Themen an, die von Transvestitismus bis zu Zwangsheirat reichen, das Werk aber in ihrer dichten Reihung auch überfrachten und stellenweise wie ein Gewaltmarsch durch sämtliche potentiellen Kontroversen der Geschlechterpolitik anmuten.
Dabei bleibt natürlich klar: Trotz gekrönter Häupter bewegen sich Maria wie Elisabeth in einer ausgesprochenen Männergesellschaft, die als intrigierende Adlige und drängende Berater ihren Einfluss zu nehmen sucht. Mit der einhelligen Masse ihrer mattschwarzen Wämser treten sie auch optisch den strahlend gekleideten Herrscherinnen entgegen. Doch sind die Männerfiguren auch erfrischend gebrochen: Marias Ehemänner – einer impotent, der andere ein flamboyanter Liebhaber, doch charakterschwach, der dritte machtbewusst, doch übergriffig. Dem gegenüber erklärt sich Elisabeths Vertrauter Cecil seiner Rolle als treuer Berater scherzend zur „Frau“ für den „Mann“ Elisabeth.
An beiden Herrscherinnen zeigt der Film, wie Frauen in einer solchen Welt Politik machen können, doch enden beide als tragische Figuren: Marias strategische Ehe und Mutterschaft können sie vor Verschwörungen nicht retten; sie erliegt auch ihrer Toleranz, „ihre Gaben sind ihr Verhängnis“. Elisabeth verweigert sich dem ungewissen Schicksal Heirat und bleibt an der Macht – einsam und neurotisch, erbenlos.
Die forcierte Gegenüberstellung der beiden Hauptfiguren schießt allerdings auch übers Ziel hinaus, führt so zu einem sympathischen Treffen der beiden, das es so nie gegeben hat und offenbar die Aussöhnungswünsche des Drehbuchautors befriedigt. Plausibilität und Genauigkeit im Historischen muss der Zuschauer in diesem Film generell eher zurückstellen, kann sich stattdessen einlassen auf einen Reigen aus Kostümen, Ränkespiel, Sex und Meuchelmord. Gut menschliche Themen also.
Ab 17. Januar im Kino
Fotos: Liam Daniel / 2018 FOCUS FEATURES
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