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  • Ausgegrenzt, entwürdigt, vernichtet

    „Aus­gegrenzt, ent­würdigt, vernichtet“ – die Dauerausstellung am Campus Jahnallee beschäftigt sich mit den Euthanasieverbrechen im Dritten Reich. Ein Versuch, den Schleier des Vergessens zu lüften

    Ein Schleier des Vergessens verdeckte lange Zeit die nationalsozialistischen Morde und Zwangs­sterilisationen von Menschen mit Behinderung im Dritten Reich. Die Dauerausstellung „Aus­gegrenzt, ent­würdigt, vernichtet“ am Cam­pus Jahnallee versucht, diesen Schleier zu lüften und klärt über die Menschen auf, die noch vor der in­dustriellen Vernichtung der jü­dischen Bevölkerung Opfer der nationalsozialistischen deut­schen Ex­klusionspolitik waren. Im Auf­trag von Thomas Hofsäss, Prorektor für Bildung und Internationales der Universität Leipzig, vermittelt die Ausstellung historisches Hinter­grundwissen in Form von biograph­ischen Gegenüberstellungen der Opfer und Täter*innen.

    Seit den 70er Jahren versuchen Historiker*innen die Eu­thanasieverbrechen aufzuklä­ren und die daraus folgenden Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu tragen. Über 400.000 Menschen ließ das NS-Regime zwischen 1933 und 1945 mit dem Ziel der „Aufartung“ zwangs­sterilisieren und mehr als 250.000 ermorden. Die Nationalsozialisten teilten Bürger*innen nach Leistungs­fähig­keit in Gruppen ein: Wer arbeitsfähig war, galt als wertvoll; kranke und behinderte Menschen hingegen bezeichneten sie als minder­wertig. Sie waren nach der Ideologie eine Belastung für die „Volksgemein­schaft“.
    Der Schwerpunkt der Dauerausstellung liegt auf den Leipziger Institutionen, ihren Ak­teur*innen und den Opfern. Hofsäss, Initiator der Ausstellung, ist Professor für Pädagogik mit Förderschwerpunkt Lernen an der Erziehungswissenschaftlichen Fa­kul­tät der Universität Leipzig. Er betont, dass die Universität Verantwortung zeigen müsse. Denn auch sie sei nicht unschuldig an den Verbrechen gewesen. „Die Ausstellung soll mehr als nur eine Gedenktafel sein. Sie soll eine Erinnerungskultur schaffen, mit der Intention, diese schrecklichen Ereig­nisse historisch zu beleuchten und Studierende aufzuklären.“

    Euthanasie-Ausstellung in der Universität Leipzig

    Die Universität als Ort der Aufklärung

    Die Leipziger Universitätsklinik glich während der NS-Zeit einer Kindermordstätte. Hebammen und Ärzt*innen waren verpflichtet, behinderte und „missgebildete“ Kinder dem damaligen Chefarzt, Werner Catel, zu melden. Genügten Kinder nach Auffassung des Nationalsozialismus für eine spätere Berufsausübung, kam es zu einem Therapieversuch, ansonsten wurde den Kindern so viel Schlafmittel verabreicht, dass sie starben. Catel tötete seiner Meinung nach aus Menschlichkeit. Er war der Auffassung, dass man früher oder später erkennen werde, es sei menschlicher, die „idiotischen“ Kinder von ihrem Unglück zu erlösen, als dass sie zur Qual für ihre Angehörigen werden.

    Hofsäss verweist explizit darauf, dass in der heutigen deutschen Bevölkerung sehr leicht­fertig hinterfragt werde, ob gesellschaftlich anerkannte Leis­­­tungen Lebensrecht implizieren. Es käme beispielsweise immer wieder die philosophische Frage auf, ob Menschen mit Behinderung genauso lebenswürdig seien wie Menschen ohne Beeinträchtigung.

    Des Weiteren erläutert Hofsäss, dass behinderte Menschen überproportional von gewalttätigen Übergriffen betroffen sind und es viel schwerer haben, Arbeit und ge­eigneten Wohnraum zu finden. Menschen mit Behinderungen gehörten einer Minderheit an und müssten bis heute um ihre Anerkennung und Wertschätzung im gesellschaftlichen Raum kämpfen. Die Schwierig­keit bestehe folglich darin, eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Abschließ­end begründet Hofsäss die Relevanz der Ausstellung: „Ich hoffe, dass die Ausstellung mehr Akzeptanz und Sensibilität in den Köpfen und Herzen der Menschen schafft, damit sich solch grausame Taten nicht wiederholen.“

    Die Dauerausstellung „Aus­gegrenzt, entwürdigt, ver­nich­tet“ ist werk­­tags von 8 bis 22 Uhr und samstags von 10 bis 18 Uhr im Foyer der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät am Campus Jahnallee frei zugänglich.

    Fotos: Annika Seiferlein

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