Wintermörderland
„Hard Powder“: Liam Neeson fährt Schneepflug. Gangster bringen seinen Sohn um. Liam Neeson bringt jede Menge Gangster um – und fährt weiter Schneepflug.
Das amerikanische Remake des norwegischen Films „Einer nach dem anderen“ (2014), verantwortet vom selben Regisseur, Hans Petter Moland, bietet Mord in reichhaltigen, absurden Variationen vor grandios winterlicher Rocky-Mountain-Kulisse, umweht von eisig-trockenem düsterem Humor.
Nels Coxman (Liam Neeson) ist ein bodenständiger Kerl und bahnt mit seinem riesigen Motorschneepflug regelmäßig der Zivilisation den Weg in das Wintersportstädtchen Kehoe, das ihn dafür als Bürger des Jahres ehrt. Am nächsten Morgen findet man seinen einzigen Sohn tot mit einer Heroin-Überdosis auf. Dass dieser ein Junkie war, kann Coxman nicht glauben, spürt also dessen Kontakten nach und gerät bald an das Drogenkartell in Denver. Deren Männer bringt er ohne große Umschweife brutal zur Strecke, „einen nach dem anderen“. Den Gangsterboss Viking (Tom Bateman) interessiert das zunächst noch wenig; er legt sich in einem Revierstreit mit der indianischen Mafia an und lässt den Sohn des Häuptlings ermorden, sodass sich das Mordkarussell noch einen Schwung schneller dreht.
Der Verschnitt aus Gangstergewalt mit schwarzem Humor auf weißer Landschaft hat sich bereits bei den Gebrüdern Coen bewährt („Fargo“, 1996) wie auch bei der norwegischen Vorlage dieses Films. Da scheinbar jegliche fremdkulturellen Filmerzeugnisse amerikanischem Publikum schwer zu vermitteln sind, steht jetzt also die transatlantische Neuauflage bereit. Auch in diesem Setting verfolgt der Streifen seine Handlung von Anfang an sehr zielstrebig, ohne dass man sich Sorgen (oder Hoffnungen) auf Abweichungen vom Rachemord-Schema zu machen braucht.
Wichtige Figuren bleiben daher auch eher Mittel zum Zweck: Der Sohn taucht nur anfangs sehr kurz als Leiche in spe auf. Auch Coxmans Frau verschwindet, von ihrem Mann entfremdet, bald aus der Handlung. Die Hauptfigur Coxman bleibt bis zum Ende sehr schematisch, obwohl skurrile Details der vom Film angestrebten Komik durchaus hätten helfen können. Neeson spielt einen stoischen Working-Class-Charakter, einen „einfachen Mann“ ohne jegliche Skrupel, der mit roher, gesichtszertrümmernder Konsequenz Rache nehmen will. Mehr Abwechslung schafft da immerhin Nels’ in tropischem Ambiente wohnender Bruder, genannt „Wingman“, der zwar aus zwielichtigen Geschäften ausgestiegen ist, aber seinem Bruder nun Rat gibt. Beide treten als klassisch tragische Helden auf, die dabei verbittern, eine (selbstauferlegte) Pflicht zu erfüllen und ihrem Ehrgefühl gerecht zu werden – Gesetz hin oder her. Wo ginge das wohl besser als im tiefen Westen der Vereinigten Staaten? Dem Steingesicht Coxman gegenüber wirken die Gangster geradezu menschlich und detailliert gezeichnet: der schmierig-sadistische junge Gangboss Viking mit spießigem Ernährungstick; seine Männer fürs Grobe, die von gemeinsamen Flitterwochen träumen; der Indianerclan, der zusammen Spaß auf der Skipiste hat.
Von dem skandinavischen Humor, an dem sich der Streifen versucht, hätte es insgesamt ruhig etwas mehr sein dürfen. Man schmunzelt öfter, lacht auch mal auf, wenn durch die schneekalte Rachsucht ein bizarrer Witz bricht, aber insgesamt hat Moland einige Gelegenheiten verpasst. Dennoch ist „Hard Powder“ mit seinem Katz-und-Maus-Spiel durchaus unterhaltsam. Tiefe moralische Botschaften oder vielschichtige Figuren sucht man vergebens, aber man hat eine spannende Hetzjagd in einer Winterwunderlandschaft vor sich, bei der man wirklich wissen will, wer denn am Ende von all den Mördern und „Ehrenmännern“ übrigbleibt.
Ab 28. Februar im Kino
Fotos: Studiocanal GmbH / Doane Gregory
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