• Menü
  • Kultur
  • Große Handwerkskunst ganz praktisch

    Die bekannte Kunsthochschule wird anlässlich ihres diesjährigen Jubiläums auch in Leipzig gewürdigt. Nicht nur mit seinen künstlerischen Ideen trifft das Bauhaus auch heute noch den Nerv der Zeit.

    Das Bauhaus wird 100 Jahre alt. Sonderausstellungen, Spezialloks der Deutschen Bahn, Lesungen – es ist ein Jubiläum, das man in der gesamten Republik kaum übersehen kann, und das nicht unbegründet. „Bauhaus“ ist ein Begriff, der unterschiedliche Assoziationen hervorruft: die Verbindung von Design und Praktikabilität etwa. Aber auch eine Progressivität, die politische Dimensionen hatte, gerade weil die Kunsthochschule in der Zeit des Nationalsozialismus‘ mit ihren Grundwerten dem Widerstand angehörte. Nicht immer äußert sich das aktiv, längst nicht alle Bauhäusler*innen waren offen links. Doch als Walter Gropius 1919 die Hochschule in Weimar gründete, setzte er das Ziel, Kunst als Steigerung des Handwerks zu verstehen. Im Gründungsmanifest schrieb er zudem: „Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung“. Damit machte seine Botschaft untrennbar von einer sozialistischen politischen Einstellung – und seine Kunsthochschule zu einem Feindbild der Konservativen und Rechten. Zu Gropius‘ Grundsätzen zählte zunächst auch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, relativ schnell ließ er jedoch nur noch wenige Frauen und diese nur noch in ausgewählten Werkstätten zu. Das Bauhaus gilt heute als die wohl bedeutendste Bildungsstätte für Kunst im 20. Jahrhundert, Lehrende wie Wassily Kandinsky oder Paul Klee prägten dort eine Generation von Kunstschüler*innen.

    Auch in Leipzig trägt man der Bedeutung dieses Jubiläums Rechnung. Diverse Orte, an denen der sogenannte Bauhaus-Stil sichtbar wird, laden zur Besichtigung – etwa das GRASSI-Museum mit einer Sonderausstellung. Hier gestaltete Bauhausmeister Josef Albers 1927 die Fenster, ein Ensemble aus 18 Glasflächen, welches als die größte Glasfläche seiner Zeit galt. Oder das „Haus Rabe“ in Zwenkau, das als Perfektion des Bauhaus-Stils gilt. Der Maler Oskar Schlemmer, einer der großen Kunstlehrer an der Bauhaus-Akademie, gestaltete die Räume der Villa, welche im Rahmen des Jubiläums auch für Besucher*innen geöffnet sind.

    Lesesaal in der DNB

    Der Lesesaal ist auch heute noch zum Lernen geöffnet. Foto: PUNCTUM, Alexander Schmidt

    Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) in Leipzig beteiligt sich mit Führungen durch den sogenannten „Bauhaus-Lesesaal“, den zweitältesten der vielen Lesesäle. „Wir setzen die Anführungszeichen sehr bewusst“, erklärt André Wendler, Forschungsreferent in der DNB. In dem Lesesaal befänden sich zwar Bauhaus-Elemente, wie die von dem holländischen Architekten und Bauhaus-Lehrer Mart Stam entworfenen Freischwinger-Stühle oder die schmucklosen Tische. Der Rest des Interieurs ließe sich jedoch nicht als reinen Bauhaus-Stil extrahieren, sagt Wendler. Er sei auch durch andere Stile, wie etwa Art-Déco, beeinflusst worden.

    1933, im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, begann die Planung des Lesesaals. Sämtliche Büsten jüdischer Schriftsteller wurden aus der DNB entfernt, doch dass der Designer der für den neuen Lesesaal ausgewählten Stühle überzeugter Kommunist war, war vermutlich weder dem Architekten noch dem damaligen Direktor der DNB, Heinrich Uhlendahl, bekannt. Als dieser die Stühle für 20 D-Mark das Stück bei der Möbelfirma Thonet in Leipzig bestellte, sorgte er sich laut einem Dokument aus dem Jahre 1935 mehr darum, ob es durch das Wippen auf den Freischwingern zu unruhig im Lesesaal werden könnte als darum, wer diese entworfen hatte. Während also die Kunsthochschule Bauhaus 1933 durch Repression der Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen wurde, waren ihre Ideen längst unaufhaltsam etabliert – und wurde durch diverse Künstler*innen weitergetragen. 1937 wurde der Lesesaal eröffnet, mit Hitler-Reliefs an der Wand, welche nach Kriegsende verschwanden. Anders als die große Wanduhr. Bis heute sind das schmucklose Ziffernblatt und die Holzteile der Stühle erhalten und zu bewundern, auch die Tische sind nie ersetzt worden.

    Lesesaal DNB

    1937 eröffnete der Lesesaal. Vieles ist nach wie vor erhalten. Foto: DNB Hausarchiv.

    Vielerorts verfolgten Bauhäusler*innen mit ihren Bauwerken konkrete politische Ziele. Mit der Konstruktion des neuen Bauhaus-Gebäudes in Dessau etwa wollte Walter Gropius provozieren – das flache Dach des Gebäudes wurde als Angriff auf die klassische Form des Spitzdaches und damit auf die völkische Kultur gesehen. In Leipzig gebe es keine Bauwerke, die derart provokant seien, erzählt Wendler. Er geht sogar noch weiter, und sagt: „In Leipzig hat es kein programmatisches Bauhaus gegeben.“ Ob es also den politischen Geist des Bauhaus‘ in Leipzig nicht gab, darüber lässt sich vermutlich streiten, denn voneinander extrahieren kann man die Kunst und die gesellschaftspolitische Idee dahinter wohl kaum. Der Lesesaal in der DNB ist allerdings am Ende dennoch ein wichtiger Ort, an dem Bauhaus erlebt werden kann, denn er macht sein künstlerisches Konzept sichtbar: Möbel, die im Sinne von Langlebigkeit, Gebräuchlichkeit und Design entworfen wurden – und damit genau dem entsprechen, das Bauhaus laut Walter Gropius war und sein sollte.

     

    Titelbild: PUNCTUM, Alexander Schmidt

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Ein Dialog der Kulturen

    Das GRASSI Museum für Völkerkunde gibt in der Ausstellung „Megalopolis – Stimmen aus Kinshasa“ 24 Künstlern aus dem Kongo die Chance ohne jeden Filter von ihrer Heimat zu berichten.

    Kultur | 10. Januar 2019

    Leere Räume schaffen Platz für Diskussionen

    In diesem Jahr präsentieren die Meisterschüler*innen der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Klassenräume, die so leer sind wie die Taschen ihrer Schule. Warum sich ein Besuch trotzdem lohnt.

    Kultur | 15. Februar 2019