Selbstversuch: Buchmesse ohne Bücher
Was tun auf der Leipziger Buchmesse, wenn alle Lesungen überfüllt sind und man in der letzten Reihe die Worte mehr errät als wirklich versteht? Die Lösung: den Büchern entfliehen. Ein Selbstversuch
Autorin Leonie hat auf der Buchmesse den Selbstversuch gewagt: den Büchern entfliehen, selbstbewusst den Blick vom Wesentlichen abschotten und aus dem Messebesuch wird ein Mitmachevent.
Ein Blick in das Programm stimmt mich zuerst nicht so hoffnungsvoll. Viele der aktiveren Veranstaltungen scheinen an Kinder gerichtet zu sein. Doch auf der Messe sollte es schließlich genug zu entdecken geben, also lasse ich mich von den Massen durch die Hallen führen. Schnell wird klar, dass die Halle 1 am besten für meine Zwecke geeignet ist. Hier sind die ganzen Manga- und Comic-Stände, eigentlich nicht so sehr meine Welt. Passend dazu erwartet mich eine Flut an Spielen, die mich überfordert. Ich versuche kurz mein Glück bei „Dead or Alive“, habe aber keine Chance, da einfach keine Ahnung von Computerspielen. Stattdessen fasziniert mich das Brettspiel „Go“. Mit einer Freundin zusammen probieren wir uns begeistert aus. Doch auch hier braucht man mehr Erfahrung, um Strategien zu entwickeln. So bleiben unsere Versuche ein bisschen hilflos, aber unterhaltsam. Unerwarteterweise finde ich mich schließlich in einem Instagram-Workshop, das klingt schließlich sehr bücherfern. Bisher habe ich zwar noch keinen Account, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Zwar ist der der Workshop weniger interaktiv, aber immerhin informativ. Mit einer PowerPoint-Präsentation wird erklärt, wie wichtig gute Stories und ein Blick fürs Publikum sind. Auch lerne ich ein paar coole Instagram-Stories wie die von Sophia Passmann kennen. Mein Interesse ist geweckt, trotzdem schreckt mich das Veröffentlichen meines halben Lebens auf Instagram immer noch ein bisschen ab. Ich beschließe, erst einmal in den anderen Hallen nach meinem Mitmach-Glück zu suchen. Und tatsächlich finde ich hier noch mehr Angebote, die zu mir passen.
In Halle 5 komme ich an einem von zahlreichen kostenlosen Fotoautomaten vorbei. Das Besondere an diesem ist, dass man sich verkleiden kann: goldene mit Pailletten besetzte Hosenträger, Masken mit den Gesichtern von Trump und Merkel, weiße Engelsflügel. Es ist wirklich für jeden etwas dabei, nur nicht für Büchernarren. Ich entscheide mich für eine riesige Katzenmaske.
Als nächstes geht’s in Halle 4. Hier ist einer der Schwerpunkte Musik. Ich probiere mich als Schlagzeugerin aus und zum Glück muss niemand außer mir den Lärm ertragen, weil es ein elektronisches Schlagzeug mit Kopfhörern ist. Dann entdecke ich einen Stand, an dem Musikinstrumente gebastelt werden. Doch da die Meisterbastler etwa sieben Jahre alt sind und alles schon ausgeplündert ist, gehe ich enttäuscht weiter.
Bei einem Miniquiz zum Thema Tschechien muss ich die angrenzenden Staaten des Landes nennen. Mit Hilfe einer Freundin kriegen wir letztlich alle Länder zusammen und gewinnen beide einen Kugelschreiber. Vielleicht wäre ein intensiverer Blick in den Atlas bei einem der Verlage zum Thema Geografie doch sinnvoll gewesen, aber das wollte ich ja schließlich vermeiden. In einem Crashkurs lerne ich ein paar Brocken Türkisch. Mir wird klar, dass es gar nicht so schwierig ist, die direkte Konfrontation mit Büchern den ganzen Tag zu meiden. Also hadi gidelim!
In Halle 2 bastele ich noch meinen eigenen Stempel. Eigentlich soll es das Haus vom Nikolaus werden, doch ich vergesse einen Strich. Dann ist es wohl doch eher ein offener Briefumschlag. Bei meinem zweiten Quiz rund um Sprache und Analphabetismus in Deutschland habe ich leider kein Glück und gewinne nichts. Aber immerhin beantworte ich die Wissensfragen zu den deutschen Klassikern richtig und das ohne einmal in die Reclamheftchen auf der Messe zu gucken.
Vielleicht ist diese Art des Messebesuchs doch nichts für mich. Ich kapituliere schließlich erschöpft vom ganzen Umherlaufen, Mitraten, den Menschenmassen und vor allem von dem ganzen Bücher vermeiden. Doch bin ich mir sicher, dass es noch mehr zu entdecken gäbe, was nicht zwischen zwei Buchdeckeln klemmt. Dieser ganz andere Blickwinkel war definitiv sehr unterhaltsam, lehrreich, auspowernd und fernab von Büchern.
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