„Man kann sich nicht klarer zum Frieden positionieren als mit Yoko Ono“
Unter dem Titel „PEACE is POWER“ kommt die bisher größte Werkschau der Künstlerin Yoko Ono nach Leipzig. Alfred Weidinger, Direktor des MdbK, spricht über die Besonderheit der Ausstellung.
Die Ausstellung „PEACE is POWER“ von Yoko Ono fasst über 60 ihrer Werke einmalig in Leipzig zusammen. „It’s the best. You’ll see, when you go through it. There are number of surprises. It’s incredible”, antwortet Jon Hendricks, Kurator und Freund von Yoko Ono, beim Pressegespräch auf die Frage, was die Ausstellung in Leipzig so besonders macht. Die bisher größte Werkschau der Künstlerin startet am 4. April im Leipziger Museum der bildenden Künste (MdbK). student! sprach vorab mit Alfred Weidinger, dem Direktor des MdbK, über die Ausstellung und die Besonderheiten des Museums. In den kommenden Monate werden bis zu 100.000 Besucher erwartet, diese Aufmerksamkeit will Weidinger für Leipzig, Museen in Ostdeutschland und kleinere Künstler*innen nutzen.
student!: Mit „PEACE is POWER” kommt die bisher umfangreichste Werkschau von Yoko Ono nach Deutschland. Was ist das Besondere daran?
Weidinger: Diese Ausstellung gibt es nur bei uns. Die Retrospektive vor fünf Jahren in Frankfurt am Main ist weitergezogen nach Dänemark und auch nach Bilbao. Aber „PEACE is POWER“ haben Yoko Ono, Jon Hendricks und ich für Leipzig konzipiert. Es geht hier auch nicht um diesen Superlativ der Größe. Viel eher sind die vielen partizipierenden Arbeiten einzigartig. Das trifft auch eher das, was Yoko Ono will. Am Titel merkt man schon das Literarische. Es geht viel um Gefühl. Sie geht oft in die Abstraktion, um etwas sehr klar zu machen. Wenn man sich darauf einlässt, dann wird es sicher eine sehr berührende Ausstellung. Man darf ja auch nicht vergessen, dass Yoko Ono jetzt 86 geworden ist. Man lebt ja nicht ewig. Wir hoffen, dass sie zur Eröffnung kommt und im Moment sieht es gut aus. Aber häufig wird sie nicht mehr kommen. Es ist eine große Chance eine Ausstellung zu sehen, die ihre Handschrift trägt.
Worum geht es und was wird zu sehen sein?
Unser Leihgeber, die Faurschou Foundation aus Dänemark, besitzt einen beachtlichen Anteil an Arbeiten von Yoko Ono. So können wir Fluxus-Arbeiten aus den frühen 70er Jahren bis hin zum Zeitgenössischen, wie den Monumentalarbeiten, die wir aus Peking bekommen, zeigen. Die Fluxus-Arbeiten beinhalten die Reihe „Instructions for Paintings“. Auf zehn bis 20 Seiten beschreibt Yoko Ono, was ein gutes Gemälde ausmacht. Das eigentliche Malen des Gemäldes ist damit überflüssig, weil sie es ja schon erklärt hat. Diese Art von Konzeptkunst hat Yoko Ono schon früh geprägt. Ihre Werke sind auch immer von dialogischer Art. Bei fast 70 Prozent werden die Besucherinnen und Besucher dazu aufgefordert mitzumachen. Durch diese Interaktion wird man Teil des Werkes. Das beginnt ganz automatisch schon durch das Lesen oder durch Betrachten eines Reliktes. Das ist ein spannendes Erlebnis, was Glücksmomente hervorrufen kann. So etwas war bisher noch nicht zu sehen. Es wird aber auch neue Adaptionen geben, aber auch Werke mit Leipzig-Bezug.
Wie kommt es, dass diese außergewöhnliche Ausstellung ausgerechnet in Leipzig zu sehen ist?
Ich kenne Yoko Ono seit vielen Jahren. Als ich nach Leipzig gekommen bin, haben wir versucht, ein Alleinstellungsmerkmal in der Stadt und auch im Museum zu finden. Leipzig ist die Wiege des deutschen Frauenrechts. Da war relativ schnell klar, dass dies ein Ort ist, an dem starke Frauen gezeigt werden müssen. Im Moment haben wir eine Ausstellung von 28 Künstlerinnen, dem sogenannten MalerinnenNetzWerk Berlin-Leipzig. Das sind nationale Positionen, die wir stärken wollen. Aber es ist auch wichtig Internationales dem gegenüber zu stellen. Nicht im Sinne einer Konkurrenz, sondern einer gegenseitigen Beeinflussung. Außerdem ist in der Kunst über die Jahre ein Vakuum entstanden, welches wir nun füllen wollen. Seit dem Mittelalter ist der Frauenanteil in Künstlerkreisen sehr gering, das sieht man auch in den Museen. Es ist nicht so, dass Museumskuratoren diese Frauen aberkennen. Ganz im Gegenteil, man war immer sehr froh, Künstlerinnen zu finden. In den Sammlungen existieren diese Werke aber einfach nicht. Deshalb braucht es Initiativen wie das MalerinnenNetzWerk und Künstlerinnen wie Yoko Ono. Leipzig und die Räumlichkeiten hier sind einfach fantastisch.
Wie kann man es vereinbaren, dass Künstler wie Max Klinger und Gustav Klimt unter einem Dach Platz finden mit Yoko Ono? Das sind ja sehr verschiedene Stile und Epochen.
Das ist einem Alleinstellungsmerkmal des Hauses geschuldet, der Architektur. Wir haben nicht eine Fläche von 200 Quadratmetern am Stück, sondern unterschiedliche Bereiche. In einem Raum ist man im Mittelalter bei Rogier van der Weyden, dann gehst du in eine der Terrassen und bist mit dem Dinosaurier von Edith Karlson konfrontiert. Das hätte man sich vor 20 Jahren nicht getraut. Aber wir sind im Denken und im Wahrnehmen viel schneller geworden. Deshalb ist der Aufbau des Museums auch extrem kontemporär. So kann man diese Unterschiede gut vereinbaren. Wenn Yoko Ono kommt, muss auch viel abgebaut werden. Sie wird in allen Höfen ausstellen und im dritten Obergeschoss. Da muss uns dann auch der Dino verlassen, er war wohl einer unserer größten Erfolge. Aber wir holen eine andere Arbeit eines Bildhauers her. Wir haben auch ein gemeinsames Depot mit dem Naturkundemuseum und planen eine Kooperation. Dann können wir ja ein Mammut ausstellen. (lacht)
Das MdbK macht so gar nicht den Anschein eines eingestaubten Kunstmuseums. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Unser Museum basiert auf der Idee, alle Generationen anzusprechen. Das funktioniert mit partizipierenden Werken wie denen von Yoko Ono natürlich besonders gut. Heutzutage spielen Social Media auch eine ganz große Rolle. Jeder Besucher, der uns liked und unser Follower ist, wird genauso von uns erst genommen wie jeder andere, der vorbeikommt. Uns ist es sehr wichtig, dass jeder, der was kommentiert oder fragt, eine Antwort bekommt. Auch wenn es nur ein Like ist, sehen wir das und freuen uns. Diese Generation nimmt Kunst anders war. Aber auch eine Yoko Ono als Künstlerin dahinter wird anders gesehen. Das ist dann nicht die Generation, die Yoko Ono als Witwe von John Lennon kennt. Yoko Ono war auch vor ihm eine bedeutende Künstlerin und ist es immer noch. Aber natürlich wird es Leute geben, die Yoko Ono als Frau des John Lennon sehen. Die werden reinkommen und erwarten wahrscheinlich LP-Cover mit den beiden drauf. So wird es nicht sein, aber es gibt einige Referenzen an John Lennon. Generell durchläuft die Gesellschaft im Bezug auf Künstlerinnen und Künstler einen großen Wandel im Moment. Genauso wie Museen einen grundlegenden Wandel durchmachen.
Fotos: Annika Seiferlein
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