„Weniger Regeln für Frauen“
„Alte weiße Männer“ ist SPIEGEL-Bestseller, Autorin Sophie Passmann bekannte Feministin und Journalistin. student!-Redakteurin Pauline Reinhardt hat sie auf der Leipziger Buchmesse getroffen.
Das Buch beinhaltet Interviews mit 16 Männern aus Medien und Politik. Der Erfolg des Buches zeigt sich nicht nur beim Blick auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, sondern auch daran, dass während des wenige Minuten langen Gesprächs am Verlagsstand gleich zwei Menschen nach einer Widmung fragen.
student!: Herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung deines Buches. Nervt es dich schon, darüber zu reden?
Passmann: Ich bin überhaupt nicht genervt. Es wäre ja total doof, ein Buch zu schreiben und dann nach zwei Wochen genervt zu sein, dass man darüber reden muss. Was ich nicht gedacht hätte: wie interessant es ist, zwei Wochen lang ständig über das gleiche Thema zu sprechen. Natürlich kommen auch immer wieder ähnliche Fragen, was überhaupt nicht dramatisch ist. Aber ich habe wirklich sehr viel Zeit mit „Alte weiße Männer“ und Reden über „Alte weiße Männer“ verbracht.
Woher kam die Idee, sich mit dem Thema des alten weißen Mannes zu beschäftigen?
Ich bin ja viel im Internet unterwegs und da ist der alte weiße Mann einfach ein Begriff, der ständig aufploppt. Der wird oft genutzt, um Diskussionen zu beenden oder um jemanden zu verurteilen. Weil dieser Begriff so oft auftaucht, fand ich es spannend, mal zu fragen: Was genau bedeutet er eigentlich?
Auf Twitter hast du über dein Buch geschrieben: „Es ist keine Streitschrift geworden, es werden aber auch keine roten Teppiche für Männer ausgerollt, rein methodisch also eine Enttäuschung.“ – Was genau ist das Buch denn dann?
Mit diesem Tweet bin ich auf zwei große Kritikpunkte eingegangen, die witzigerweise parallel zueinander existierten. Männer haben mir gerne vorgeworfen, ich würde schon wieder so eine feministische Streitschrift verfassen. Und teilweise gab es Frauen, die kritisiert haben – ohne das Buch vorher gelesen zu haben – ich würde damit Männern eine Bühne geben, die diese ohnehin schon haben. Es ist beides nicht geworden. Es ist ein in der Sache sehr ernsthaftes, aber im Ton sehr ironisches Buch über Feminismus, welches das Ziel hat, Leute dafür zu interessieren, die sonst nicht so viel damit am Hut haben.
Von welcher Seite wird das Buch mehr kritisiert, von Männern oder von Frauen?
Och. Ich will nicht diese Gruppierungen aufmachen, weil es eine Tendenz dazu gibt, dass gerade Feministinnen sehr kritisch schauen, was andere Feministinnen machen.
Ich würde mich einerseits freuen, wenn wir das nicht machen. Denn wir haben alle das gleiche Ziel. Andererseits kann ich auch niemandem verbieten, etwas doof zu finden und darüber öffentlich zu schreiben. Ich möchte eigentlich weg von dieser Kultur, ich möchte weg davon, dass Feministinnen sich dafür fertig machen, dass sie mehr oder weniger doll feministisch sind. Deswegen freue ich mich auf einer anderen Ebene darüber, dass Feministinnen die Möglichkeit haben, sehr laut in Zeitungen ihre Meinungen zu äußern; ich freue mich auch über jeden gut geschriebenen Verriss.
Gibt es Männer, mit denen du gerne sprechen wolltest, die aber für ein Interview nicht zur Verfügung standen?
Ja.
Wen?
Sag ich nicht.
Welches Gespräch war das schwierigste?
Ich glaube, das mit meinem Vater. Der Vorteil war, dass die Recherche nicht so intensiv war, ich war ganz gut eingelesen in das Thema „Mein Vater“. Aber ich wollte den Mittelweg finden zwischen „Ich darf ihn nicht anders behandeln als andere, ich kann ihm nicht Sachen durchgehen lassen, die ich anderen nicht durchgehen lasse.“ Und dazwischen, dass man seinen Eltern gegenüber sanfter, aber wahnsinnig viel genervter ist. Man ist sehr nah an sich und sehr ehrlich zueinander, was manchmal dazu führt, dass man harsch ist. Da den Mittelweg zu finden, war schwierig.
Wann hast du gemerkt, dass du Feministin bist? Wie hat dich da dein Elternhaus und vielleicht auch der Männerbund, in dem dein Vater Mitglied ist, beeinflusst?
Ein wirklich theoretisches Feminismusverständnis habe ich erst im Studium bekommen.
Ein abstrakteres schon vorher?
Auf jeden Fall. Ich hab früher ja Slam gemacht und war da öfter mal die einzige Frau oder eine von zweien auf der Bühne. Ich hatte das Glück, dass ich selten in so krassen Hierarchiestrukturen war, also in Büros oder Redaktionen, wo Sexismus noch mal ganz anders und deutlich schwerer zu bekämpfen auftritt. Als Selbstständige wirst du eher mit einer Art von – ich nenne es mal sanftem Sexismus, in sehr großen Anführungszeichen – konfrontiert. Denn als Selbstständige hat man in manchen Bereichen eine größere Handlungsfähigkeit, weil man weniger direkt abhängig von einem Arbeitgeber ist. Das ändert aber nichts an der Benachteiligung. Ich hatte weniger Probleme mit Chefs, die mir Jobs nicht geben oder mich in Meetings unterbrechen, weil ich eine Frau bin. Aber ich bin aufgetreten und als „die Frau“ anmoderiert worden oder musste für mein gesamtes Geschlecht sprechen.
Nachdem du mit Menschen wie dem Pegidasympathisanten Werner Patzelt gesprochen hast: Kannst du Tipps für den Umgang mit ihm und anderen geben?
Ich glaube, es ist sehr schwierig, Tipps zu geben, wie man mit bestimmten Menschen oder Menschengruppen umgehen soll, weil das eine Charakterfrage ist. Das zeigt sich auch in der Kritik, die an meinem Buch geübt wird: Manche Leute haben ein großes Unverständnis für meine Art, mit dem Thema umzugehen. Ich bin jemand, der in manchen Sachen sehr vehement ist, aber ich denke immer angestrengt darüber nach, wie ich meine Ressourcen aufteile. Ich habe dann manchmal kein Problem damit, meine Energie eben nicht in einen großen Streit oder eine große Schlichtung zu investieren. Was ich mir wünschen würde, sind weniger Regeln für Frauen. Dass sich Frauen weniger Gedanken darüber machen, wie sie in der Öffentlichkeit agieren, wie sie mit Männern umgehen müssen. Deswegen würde ich sagen: Mach so, dass dein Herz und dein Kopf dir am wenigsten Widerstände aufbringen. Natürlich muss das Patriarchat bekämpft werden, aber ein wichtiger Aspekt davon ist Solidarität. Die bezieht sich auch darauf, solidarisch mit denen zu sein, die nicht die Energie, die Ressourcen und manchmal – muss man ganz ehrlich sagen – nicht den Willen haben, diesen Kampf gerade zu kämpfen. Und das ist völlig in Ordnung. Dann müssen die anderen halt mitkämpfen und aufmerksam und solidarisch sein.
Planst du noch ein Buch?
Ja. Im weitesten Sinne wird es um Krisen gehen.
Fotos: Asja Caspari
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