Bauhaus weiterdenken
Das Bauhaus wird 100 Jahre alt. Die Ausstellung „BAUHAUS_SACHSEN“ im GRASSI Museum legt nun den Fokus auf die Verbindung der Kunstschule zu Sachsen und denkt deren Ideen weiter.
Wer Bauhaus bisher nur für einen Baumarkt hielt, wird in diesem Jahr eines Besseren belehrt. Denn die gleichnamige Kunstschule feiert ihr 100-jähriges Bestehen und dabei lässt sie sich nicht lumpen. Geschichte und Erbe des Bauhauses kann auf der „Grand Tour der Moderne“ erlebt werden, die deutschlandweit herausragende Orte des Bauhauses verbindet. Dabei werden nicht nur die bekannten Bauhaus-Städte Weimar, Dessau und Berlin, sondern auch bisher im Schatten gebliebene Wirkungsorte beleuchtet. Einer davon befindet sich im Herzen Leipzigs: Das GRASSI Museum. Durch die prägnanten Fenster des Bauhausmeisters Josef Albers und durch den Bauhaus-Schwerpunkt in der Dauerausstellung schon immer mit den Vertretern der Klassischen Moderne verbunden, widmet das Museum der Kunstschule nun die Sonderausstellung „BAUHAUS_SACHSEN“, die von Mitte April bis Ende September läuft. Auch wenn man das Bauhaus nicht sofort mit dem Freistaat assoziiert, vermittelt die Ausstellung eindrucksvoll die Bedeutung Sachsens für die Kunstschule, dessen Industrie und Verlagswesen essentielle Kooperationspartner für das Bauhaus waren. Dazu lebten und wirkten viele bedeutende Bauhäusler, wie Marianne Brandt, Lothar Schreyer oder Hajo Rose in Sachsen. Auch Leipzig, als Messestadt war schon immer eine wichtige Anlaufstelle für das Bauhaus. Die Leipziger Grassimessen boten eine Plattform, neue Ideen zu präsentieren. Beinahe wäre das Bauhaus 1932 sogar von Dessau nach Leipzig gezogen, doch die Verhandlungen des Messedirektors Rudolf Stegemann mit Ludwig Mies van der Rohe scheiterten.
Die Sonderausstellung im GRASSI lädt in einer Reihe verschiedener Themenbereiche dazu ein, sich auf die Spuren des Bauhauses in Sachsen zu begeben. Durch eine Vielfalt von Gebrauchsgegenständen, Möbeln, Grafiken und Fotografien sowie Biografien und Arbeiten verschiedener Bauhauskünstler wird die zeitlose Bedeutung der avantgardistischen Kunstschule verdeutlicht. Die Kuratoren der Ausstellung, Museumsdirektor Olaf Thormann und Künstler Thomas Moecker, setzen dabei auf gründliche Recherche und Liebe zum Detail. Nicht einmal die Form der Ausstellungsvitrinen ist zufällig gewählt. Die Konstruktionen aus Glas und Metall sind denen der Weimarer Bauhausausstellung 1923 nachempfunden.
Viele Exponate wirken allein durch ihre einzigartige Ausstrahlung. Betritt man die Ausstellungsräume zieht eine abstrakte Bühnenfigur in typischer Bauhaus-Manier alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Figur, die den Kuratoren auf dem winzigen Schwarz-Weiß-Foto einer Theateraufführung aufgefallen war, ist keine bloße Rekonstruktion, vielmehr eine Interpretation des Originals. Da die ursprüngliche Farbgebung nicht herauszufinden war, hat sich Thomas Moecker einer farblichen Neugestaltung angenommen. Im „Graphischen Kabinett“ kann man Druckgrafiken von bedeutenden Bauhäuslern wie Paul Klee, Lyonel Feininger oder Wassily Kandinsky bestaunen, die 1925 in Dresden gezeigt wurden. Viele davon waren Teil der 1938 eröffneten Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ während des Nationalsozialismus. Der Bereich „Bauhaus für die Industrie“ präsentiert vom Bauhaus designte Gebrauchsgegenstände, die unter anderem in zahlreichen sächsischen Firmen produziert wurden. So zeigen zum Beispiel Kandem-Leuchten aus Leipzig, oder Möbel von den Deutschen Werkstätten Hellerau beispielhaft, wie es der Avantgardeschmiede gelang, Design und Industrie zu vereinen.
Im Sinne des Bauhaus-Jubiläumsmottos „Die Welt neu denken“, wird das historische Bauhaus nicht nur umfangreich dargestellt, sondern in einem Wechselspiel mit zeitgenössischer Kunst neu aufgefasst und weiter gedacht. Künstler und Designer gestalten Teile der Ausstellung durch das Umsetzen und Weiterführen von Bauhaus-Ideen in vielfältiger Weise. So legt der Maler und Grafiker Felix Martin Furtwängler einen Entwurf der in den 1920er Jahren angekündigten, aber nie erschienenen zweiten Bauhaus-Grafikmappe vor. Der Textildesignerin Katharina Jebsen gelang es, durch aufwendige Forschungsarbeit und gründliche Analyse von kleinen Original-Textilmustern, Bauhaus-Gebrauchstextilien wiederherzustellen. Diese können nun in einer von Künstlerin Judith Raum konzipierten Installation nicht nur betrachtet, sondern auch angefasst und erlebt werden.
Die Ausstellung soll keine Verklärung der Kunstschule sein, sie ist sich bewusst, dass es auch in der Geschichte des Bauhauses Kontroversen gab, wie zum Beispiel dass viele Bauhäuslerinnen lange im Schatten ihrer männlichen Kollegen wirkten. Trotzdem ist sie eine bemerkenswerte Hommage an den ungebrochenen Einfluss der Kunstschule auf Design, Kunst, Industrie und Handwerk weltweit, aber eben auch in Sachsen. Dabei beweist sie Feingeist und überzeugt außerdem durch ein großes Selbstbewusstsein.
„BAUHAUS_SACHSEN“ ist noch bis zum 29. September 2019, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, im GRASSI Museum für Angewandte Kunst zu sehen.
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