„Tiere sind keine Sportgeräte“
Pferderennen ist Tradition in Leipzig und die Galopprennbahn Scheibenholz stets gut besucht. Doch seit Jahren versammeln sich Protestierende, die das Leiden auf der Bahn nicht übersehen wollen.
Am 1. Mai eröffnete der traditionelle Aufgalopp die Pferderennsaison auf der Galopprennbahn in Leipzig. Seit 150 Jahren ist der Rennsport auf Pferden in der Stadt etabliert. Tausende Menschen aller Alters- und Gesellschaftsgruppen strömten zum Scheibenholz, um mitzufiebern, Wetten abzuschließen oder die neuste Hutmode zu präsentieren.
Am Eingang, vor dem kurz vor Beginn eine nicht abreißende Schlange auf Tickets wartet, steht eine Gruppe, die aus dem sorglosen Treiben heraussticht. Hier sind die Mienen weniger freudig, die Stimmen erhoben, die Banner ausgestreckt: Ein Protest gegen Pferderennen möchte die „Realität der Rennpferde, der teuersten Sportgeräte“ zeigen. Und so legt sich in die unbeschwerte Luft des warmen Nachmittags die unbequeme Wahrheit der harten Fakten, dass das harte Training für Rennpferde mit 18 Monaten noch im Fohlenalter beginnt, dass 20 Prozent der Tiere ihre erste Saison nicht überleben, oder dass Rennpferde spätestens mit acht Jahren wegen psychischen und körperlichen Schäden ausrangiert werden ─ während die natürliche Lebenserwartung der Tiere bei 25 bis 30 liegt.
Der Protest bildet sich aus den Gruppen Leipzig/ Halle Animal Save und den Tierbefreier*innen Leipzig. Auch eine Fridays-For-Future-Gruppe taucht auf und bildet, getreu dem Motto „Rennrad statt Rennpferd“, eine Fahrradinsel inmitten des Publikums vor dem Gelände.
Dieses Mal sind im Vergleich zu den Vorjahren viele Protestierende aufgetaucht, freut sich eine Studentin, die sich hier schon seit Jahren für die Abschaffung der Pferderennen einsetzt. Sie zeigt die Flyer, die verteilt werden: „Oft stößt man auf taube Ohren, aber manchmal kommt es doch zu einem Gespräch. Denn viele Leute wissen gar nichts von den Problemen und denken, die Pferde haben Spaß am Rennen.“ Tatsächlich, so liest ein Demonstrant in dem Moment durch ein Mikrofon vor, haben Pferde zwar Spaß daran, sich in der Herde bis zu 16 Stunden zu bewegen ─ allerdings im Schritt, der Galopp ist dagegen nur für die Flucht gedacht. Wenn Pferde also unter Peitschenhieben die Renngeschwindigkeiten von 60 bis 90 Kilometern pro Stunde erreichen, werden ein permanenter Angstzustand und extremer Stress ausgelöst.
Plötzlich wird auch unter den Protestierenden der Stress größer, die Parolen ein bisschen lauter, als sich zehn Polizisten nähern. Die Gruppe mit den Fahrrädern muss den Platz räumen, ein Fluchtweg sei versperrt und somit die Auflagen der Protestanmeldung nicht mehr erfüllt. Die Fahrradinsel verschwindet in wenigen Minuten an den Rand des Platzes, eine Anzeige gibt es für den Verantwortlichen der Demonstration voraussichtlich trotzdem. Luna, so sein Pseudonym, stimmt das missmutig. Er und die anderen Protestierenden würden ja kooperieren und sie seien nur für die Tiere hier – warum müsse man es gerade einer Tierschutzdemo schwer machen.
Im Trubel auf dem Gelände ist es leicht, die mahnenden Worte von außerhalb zu übertönen. Die rund 18.000 Menschen sind gekommen, um bei strahlendem Sonnenschein für wenige Sekunden einen Blick auf vorbeirennende Pferde zu erhaschen, ihre Kinder mit Ponyreiten und Trampolinspringen zu beglücken oder natürlich zu wetten. Bei jedem Rennen ist es möglich, an Ständen Beträge ab 80 Cent zu setzen ─ auf den Sieg eines Pferdes oder auf dessen Platzierung unter den besten drei. Setzen viele auf ein Pferd, so wird dessen Gewinnbetrag immer niedriger. Ein Paar aus Süddeutschland ist das erste Mal bei dem Leipziger Pferderennen, besucht aber öfter Rennen in der Heimat. Sie sind hier, um die Stimmung und die Anfeuerungsrufe zu genießen, setzen gern kleinere Beträge, um „einfach ein bisschen mitzufiebern“. Auf die Nachfrage nach der Demonstration vor der Rennbahn betonen sie, wie wichtig es ihnen ist, dass Rennen mit Verstand umgesetzt werden. Skandale wie im Spitzensport gebe es auch beim Pferderennen. Sie bekräftigen außerdem: „Pferde sind Fluchttiere, das ist für sie ein natürlicher Bewegungsablauf.“
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