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    Menschen in Vollbetreuung dürfen in Deutschland am 26. Mai erstmals wählen. Das betrifft etwa 100 Leipziger. Es fehle an Wahlprogrammen in leichter Sprache, kritisieren Diakonie und Initiativen.

    Ab dem 26. Mai dürfen Menschen mit Behinderung in Vollbetreuung erstmals in Deutschland wählen. Auf Drängen der Oppositionsparteien FDP, Grüne und LINKE entschied der Bundestag mittels Eilantrag, den ursprünglichen Stichtag vom 1. Juni vor­zuverlegen, um den Betroffenen eine Teilnahme an der Europawahl zu ermöglichen. Nach ähnlichen Änderungen in den Nie­derlanden, Groß­bri­tannien und Frankreich 2014 gewährt nun auch Deutschland Menschen mit Behinderung volles Wahlrecht.

    Vorangegangen war eine Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichts Anfang des Jahres. Acht Personen hatten bereits zur Bundestagswahl 2013 Verfassungsbeschwerde eingelegt und dabei auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen verwiesen. Erst sechs Jahre später sollten die Kläger Recht bekommen. Die Rechtsanwältin Anna Luczak vertrat fünf der Mandanten im Prozess. Sie äußert deutliche Empörung über den langwierigen Entscheid: „Das Recht der Betroffenen wurde nicht ernst genommen.“ Ursprünglich habe sie sich eine Entscheidung noch vor der Bundestagswahl 2017 erhofft. Dass ihre Mandanten zunächst erst nach der Europawahl im Mai 2019 hätten wählen dürfen, sieht sie „als völlig absurd“ an. Das Argument, Menschen mit Behinderung unter Vollbetreuung könnten keine begründete Wahlentscheidung treffen, erinnere sie an die Debatte um das Wahlrecht für Frauen. Das 1918 erkämpfte Recht war auf heftige Kritik gestoßen, ob man Frauen politische Teilhabe zutrauen könne, da diese bisher nie gewählt hatten.

    Von den rund 82.000 Menschen in Deutschland in Vollbetreuung, die bislang vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, leben nur wenige in Sachsen. Vollbetreuung bedeutet, dass in allen Lebensbereichen die Betreuung übernommen wur­de. Da in Sachsen die Betreuung in verschiedene Bereiche wie Finanzen oder Gesundheit aufgeteilt wird, werden viele Betrof­fene formell nicht vollbetreut, sodass das fehlende Wahlrecht nicht unbedingt das Hauptproblem ist. Viel eher seien die Hürden überhaupt an der Wahl teil­zunehmen immernoch zu hoch, erklärt Sophie Kramer, Praktikantin in der Diakonie Leipzig.

    Die Praktikantin in der Diakonie Leipzig betreut momentan über mehrere Wochen die Bewohner der Wohnstätte „Katharina von Bora“ in Markkleeberg. Laut Kramer gibt es viel Nachholbedarf. Wichtig sei den Menschen ihrer Wohngruppe „das Gefühl, inkludiert zu sein, etwas bewegen zu können, ein Gefühl der Teilhabe“. Es fehle vor allem an Wahlprogrammen in leichter Sprache, die eine niedrigschwellige politische Beteiligung ermöglichen. Hier setzt die Arbeit der Leipziger Initiative POLITIK – einfach machen! an. Unter dem Hashtag #GemeinsamfürleichteSprache macht sie darauf aufmerksam, dass die Politik Menschen mit Behinderung oft übersehe. „Wer fängt an?“, fragt Gründer Michael Peukert und kritisiert das fehlende Interesse der lokalen Politiker. Oft würden Behinderteneinrichtungen im Wahl­­­kampf übersehen, weshalb er sich darum bemüht, Begegnungen zwischen Menschen mit Behinderung und Politikern zu organisieren. Zu wenige Abgeordnete im Sächsischen Landtag hätten Wahlprogramme in leichter Sprache, beschwert sich Peukert und fordert mehr Verantwortung auf lokaler Ebene.

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