„Verletzungen gehören einfach dazu“
Friederike Freyer betreibt Wasserspringen als Leistungssport und studiert Sonderpädagogik auf Lehramt in Teilzeit. Die größte Schwierigkeit dabei: Vorausplanen.
Mit sechs Jahren begann Friederike Freyer mit dem Wasserspringen. Damit war sie schon sehr spät dran. „Die meisten fangen ungefähr mit vier Jahren an. Die Trainer nutzen dabei die Furchtlosigkeit der ganz Kleinen aus, denn die denken noch nicht darüber nach, dass das, was sie da machen, auch gefährlich sein kann.“ Friederike hatte Freunde im Kindergarten, die sie zum Wasserspringen inspirierten. Aber ihre Mutter schickte sie erst einmal nur in den Schwimmkurs. „Sie hat wohl gehofft, das würde mir reichen“, sagt Friederike und lacht. Doch da hatte sich ihre Mutter geirrt. Mittlerweile ist Friederike für das Team Tokio 2020 nominiert, eine vom Landessportbund Sachsen (LBS) geförderte Auswahl von Sportlern, die hohe Chancen für eine Qualifikation bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio haben.
Wie ist das machbar, Studium und Leistungssport? Friederike erzählt von der Unterstützung ihrer Eltern, die ihr bis heute Rückhalt geben. Bei ihnen wohnt die 21-Jährige auch und genießt die gemeinsamen abendlichen Gespräche. Seit sie nach dem Abitur das Leipziger Sportgymnasium verließ, haben viele ihrer Mitstreiterinnen den Leistungssport aufgegeben, in ihrer Altersklasse trainiert sie daher meistens allein. „Die meisten wollen auch mal etwas anderes im Leben machen oder denken an die Zukunft. Wirklich Geld verdienen kann man damit nicht.“ Friederike trainiert neun bis zehn Einheiten die Woche, ausgenommen sonntags. Sie ist in der Sportfördergruppe der Bundeswehr und erhält darüber finanzielle Unterstützung, ihren Sold.
Die Grundausbildung absolvierte die Studentin in nur sechs Wochen statt drei Monaten, gemeinsam mit anderen Sportlern. Der Preis der Förderung: konsequenter Leistungsnachweis. Gerade erst hatte Friederike mit einer Überlastung im Schienbeinbereich zu kämpfen. Wegen eines Bandscheibenvorfalls vor vier Jahren lässt sie die Kategorie „Handstandsprünge“ mittlerweile aus. Der Spaß sei ihr aber immer erhalten geblieben und solange mache sie gerne weiter und gebe ihr bestes. „Es ist schwer, die Geduld aufzubringen und dem Körper die Zeit zu geben, die er anscheinend braucht“, gesteht Friederike. „Im Alltag spürst du davon nichts und denkst, es geht wieder, aber im Training merkst du es doch plötzlich wieder.“ Sie ergänzt, dass die Verletzung immer noch nicht ganz ausgestanden sei, sie aber wenigstens so gut es geht wieder trainieren möchte. Da schimmert der Ehrgeiz durch. Ob sie die Verletzung wegen Tokio unter Druck setzt? „Verletzungen gehören einfach dazu. Die Chance ist dadurch zwar geringer, aber wenn ich nicht 2020 dabei bin, dann eben 2024. Das sehe ich nicht so eng, es gibt bisher keinen Grund für mich, mit dem Sport aufzuhören.“
Das Wassertraining beginnt mit Trockenübungen zum Aufwärmen, bei dem Trainer Dmytro Ostapenko gleich das Organisatorische bespricht: „Wie sieht es mit Karfreitag aus? Ich möchte Training machen.“ Klar will er das. „Übe ich heute Auerbach?“, fragt Friederike und erklärt, dass Auerbach eine von sechs Sprungkategorien sei. „Dabei steht man vorwärts auf dem Brett und absolviert die Saltis und/oder Schrauben während man rückwärts dreht.“ Übrigens sei Turmspringen nur eine Teildisziplin von Wasserspringen, den Auerbach mache sie nämlich vom Brett (das Flexible). Offiziell heiße es Kunst- und Turmspringen.
Nebenher läuft Musik mit motivierenden Beats aus einer MP3-Box. Diese begleitet Friederikes gesamtes Training, auch in der Schwimmhalle. Der Trainer hat dort ein Tablet aufgestellt, dass die Sportlerinnen filmt und die Sprünge in Zeitlupe wiedergibt. „Einigen hilft es, sich zu sehen, um die Fehler besser lokalisieren zu können. Aber während der Wettkampfphase nutzen wir die Funktion nicht, dann sitzt es oder eben nicht. Groß rumbasteln bringt dann nichts mehr.“ Wie sieht es eigentlich mit der Konkurrenz in Deutschland aus? „Bei der letzten Deutschen Meisterschaft gingen ungefähr 20 Frauen für die Erwachsenen an den Start, dabei sind aber einige noch Jugendliche. Hier kennt also jeder jeden und wir verstehen uns auch untereinander sehr gut.“
Friederike fühlt sich also wohl. Nur für den Leistungssportbereich im Studium wünscht sie sich eine bessere Organisation. Am Anfang habe sie sich ganz schön „lost“ gefühlt. Es gab keinen Studienplan für ein Teilzeitstudium und „man hat für alles verschiedene Ansprechpartner“, ständig müssten Anträge ausgefüllt werden, auf denen sie die Kategorie „Leistungssport“ erst einmal ergänzen muss. Am schwersten sei für Friederike die Vorausplanung im Studium. Für ihr Pflichtpraktikum muss sie sich sechs Monate im Voraus bewerben, aber da wisse sie ja noch gar nicht, was im Sport anstehe. „Man muss schon viel selbst organisieren, um alles hinzukriegen.“
Das beherrscht die junge Sportlerin und Studentin mittlerweile gut. Und auch wenn sie voller Enthusiasmus vom Beruf der Sonderschulpädagogin erzählt, der ihr während eines Praktikums gezeigt hat, „das ist voll meins“, so steht doch vor allem der Sport als ihre Leidenschaft im Vordergrund. Solange es eben geht.
Fotos: Nina Lischke; Grafik: Marie Nowicki
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