Nicht der Quotenjugendliche
Der Stadtrat soll den Klimanotstand ausrufen, ein 365-Euro-Ticket einführen und Schulen sanieren. Um das zu erreichen, kandidiert Quentin Kügler im Leipziger Süden für die Grünen.
Quentin Kügler bestellt sich einen Kaffee, schwarz natürlich. „Es war eine kurze Nacht“, bedauert er augenzwinkernd. Kein Wunder: Zusätzlich zu seinem Lehramtsstudium ist der 19-Jährige Sprecher des Leipziger Jugendparlaments und kandidiert für die Grünen im Wahlkreis 4, der aus der Südvorstadt, Connewitz, Marienbrunn, Lößnig und Dölitz-Dösen besteht, für den Stadtrat. Kügler ist nicht unerfahren, was die Arbeit im Stadtrat angeht, denn in seiner Position ist er auch im Jugendbeirat, der selbst Anträge einbringen kann. So bekommen beispielsweise auf Initiative des Jugendparlaments Kinder in Heimen 20 Euro mehr zu ihrem Geburtstag und Weihnachten. „Wir werden ernst genommen, haben uns das aber auch durch gute Anträge erarbeitet“, berichtet er stolz.
Sollte er gewählt werden, möchte Kügler im Stadtrat den Klimanotstand ausrufen lassen. Das Jugendparlament hat das bereits getan, der Stadtrat selbst sträubt sich noch. „Erstmal ist das natürlich nur Symbolpolitik, aber es ist wichtig, um zu zeigen, dass der Klimaschutz oberste Priorität hat.“ In Leipzig sollten deswegen mehr Bäume gepflanzt, Urban Gardening gefördert und bereits bestehende Grünflächen bewahrt werden. Auch die Verkehrspolitik müsse gründlich überarbeitet werden, wobei er eine ÖPNV-Jahreskarte für 365 Euro als wichtigen Schritt sieht. Dass der Student bei „Fridays for Future“ demonstriert, ist keine Überraschung. Der Druck, den so viele Jugendliche dabei aufbauen und dass sie durch solche Demonstrationen politisiert werden, ist für Kügler von unschätzbarem Wert. Er sieht aber auch die Politik in der Verantwortung, den Jugendlichen nicht nur auf die Schulter zu klopfen: „Ich will nicht, dass das alle gut finden, sondern dass sich etwas verändert.“
Kügler studiert Deutsch und Gemeinschaftskunde auf Lehramt, muss sich also auch mit der Perspektive der Lehrer*innen auseinandersetzen. Er werde im Umgang mit „Fridays for Future“ einen Mittelweg finden, wenn er beginnt zu arbeiten: „Den Schülern zu erlauben, demonstrieren zu gehen, obwohl es das Schulamt verbietet, würde schließlich gegen Dienstrecht verstoßen.“ Er sieht sich als Lehrer dabei jedoch auch selbst in der Verantwortung. Die Klimakrise müsse man querschnittsartig im Unterricht behandeln. Insgesamt fordert er viel früher und viel mehr politische Bildung, um Kinder und Jugendliche zu politisieren, wie es auch bei ihm geschehen ist. Schon in der Grundschule begann er sich dank Thementagen und Projekten für Klimaschutz zu interessieren. In die Partei ist er jedoch erst im November vergangenen Jahres eingetreten, um sich politisch engagieren zu können: „Jetzt ist unsere letzte Chance, die Klimakrise aufzuhalten und ich denke, dass es dann auch meine persönliche Verantwortung ist, dabei zu helfen.“
Nach der Arbeit im Jugendparlament sei es der nächste logische Schritt, für den Stadtrat zu kandidieren. „Ich wurde vom Landesvorsitzenden der Grünen gefragt, da habe ich natürlich nicht ‚Nein‘ gesagt“, erzählt er lachend. Kügler wird nie müde zu betonen, dass die Grünen die „ehrlichste und glaubwürdigste Partei“ sind: „Wir setzen auf pragmatische Lösungen, die zwar mit großen Schritten umgesetzt werden sollen, aber trotzdem realistisch sind.“
Realistisch ist Kügler selbst auch. Weil er auf Listenplatz acht im Wahlkreis 4 steht, macht er sich keine großen Hoffnungen, gewählt zu werden. Der „Quotenjugendliche“ sei er jedoch nicht, trotz seines Listenplatzes. Das habe er der Partei auch im Voraus klar gesagt: „Viele Parteien merken gerade, dass Jugendliche politisierter werden, aber sie dann auf die hinteren Listenplätze zu stellen, quasi als Feigenblatt, reicht überhaupt nicht.“ Sollte der „große Konjunktiv“, wie er seine Wahl in den Stadtrat nennt, doch eintreten, sehe er sich durchaus als Vertreter der Jugend Leipzigs: „Der Stadtrat ist viel zu alt, ich würde mich für die Interessen der jungen Leute einsetzen.“
Die Erfahrungen aus dem Wahlkampf seien auch für seine Arbeit im Jugendparlament wertvoll. Von Haustür zu Haustür zu gehen liege ihm dabei nicht besonders, auch bei Wahlkampfveranstaltungen stehe er normalerweise nicht auf der Bühne und hält Reden. Er wolle sich nicht in den Vordergrund drängen, sagt Kügler. Dafür versucht er bei lokalen Veranstaltungen an Ständen Wähler*innen von seiner Partei zu überzeugen. „Viele überlegen jetzt zum ersten Mal, Grün zu wählen. Das liegt nicht zuletzt an den desaströsen Nachrichten und dem extrem heißen Sommer im letzten Jahr.“ Kügler sieht aber jede*n Einzelne*n in der Verantwortung, die Klimakrise zu lösen: „Besonders auf Ernährung muss man achten, wenig Fleisch essen, regional einkaufen und Plastikverpackungen vermeiden.“ Er selbst sei kein Vegetarier. Warum, wisse er auch nicht: „Ich konnte mich noch nicht überwinden, gar kein Fleisch mehr zu essen.“
Kügler lebt zwar nicht in seinem Wahlkreis, ist aber in der Südvorstadt aufgewachsen. „Der Süden ist wahnsinnig reich an kulturellen Einrichtungen, die es zu fördern und zu beschützen gilt, nicht zuletzt, weil sie grade stark unter Beschuss von der AfD stehen“, begründet er seine Motivation, zu kandidieren. Sollte Kügler nicht in den Stadtrat gewählt werden, wolle er seine Arbeit im Jugendparlament fortsetzen und vielleicht in fünf Jahren zur nächsten Stadtratswahl wieder antreten. Ambitionen, für den Land- oder sogar Bundestag zu kandidieren, habe er aber nicht: „Ich bin keiner von denen, die nur ganz kurz arbeiten wollen und dann sofort in die Politik gehen. Ich kann mir durchaus vorstellen, 40 oder 50 Jahre lang Lehrer zu sein.“ Stadtratsarbeit sei ja zum Glück Ehrenamt.
Bis zum 26. Mai laden wir Porträts von Kandidierenden für die Kommunalwahl hoch. Die porträtierten Personen gehören verschiedenen Parteien an; die Artikel werden in zufälliger Reihenfolge veröffentlicht.
Fotos: Stadt Leipzig
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