Es bewegt sich etwas in Sachsen
Mit einer mobilen Litfaßsäule, Filmen und jeder Menge Gesprächsstoff tourt das Projekt Kino in Bewegung durch Sachsen. Ziel ist es, dass sich die Menschen vom Land und aus der Stadt näherkommen.
Die Luft ist drückend heiß, über Leipzig braut sich ein Gewitter zusammen. Die Sonne weicht dunklen Wolken, aus der Ferne ist Donnergrollen zu vernehmen. Carsten Möller, künstlerischer Mitarbeiter für Videokunst an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB), spricht über den „Rechtsruck, der über uns herüberrollt“. Gemeinsam mit Clemens von Wedemeyer, Professor für Medienkunst, hat er das Projekt Kino in Bewegung initiiert, das die Menschen aus Stadt und Land in Sachsen anhand von Filmvorführungen einander näherbringen soll. Studierende aller Fachrichtungen der Kunsthochschule wirken mit. Eine davon ist Frederike Moormann, die nun gemeinsam mit Möller und von Wedemeyer unter einem Sonnenschirm im Innenhof der HGB sitzt.
Kino in Bewegung verknüpft die Filmvorführungen mit Diskussionen und geht dorthin, wo knapp zwei Drittel der sächsischen Bevölkerung leben, wo es jedoch immer weniger Kultureinrichtungen gibt: in Kleinstädte und ländliche Gebiete. Im letzten Jahrzehnt mussten 19 Prozent der Kinos in Sachsen schließen. Alle befanden sich in Städten mit weniger als 50.000 Einwohner*innen.
Welche Themen für die einzelnen Orte von Relevanz sind, das gilt es während des Projekts herauszufinden, denn das könne man sich „nicht mal eben so vom Schreibtisch aus überlegen“, wie Frederike erklärt. Deshalb beschäftigen sich die Projektmitglieder intensiv mit den Strukturen vor Ort und arbeiten eng mit den dortigen Kulturinstitutionen zusammen.
Nach der Auftaktveranstaltung Mitte Mai in der HGB-Galerie in Leipzig war die erste Station des mobilen Kinos ein Kleingartenverein im etwa 40 Kilometer südlich von Leipzig gelegenen Regis-Breitingen. Dort lief unter anderem ein Dokumentarfilm über Umsiedlungen aufgrund der Braunkohleförderung in der DDR, der laut Möller viel Diskussionsstoff geliefert hat.
Mit im Gepäck ist neben den Filmen auch immer eine mobile Litfaßsäule, die am Veranstaltungsort steht – „wie so ein großes Fragezeichen“, sagt Möller. Angeklebte Zettel mit den Stimmen der Menschen vor Ort dienen als Antwort auf dieses Fragezeichen. Es handelt sich um einen Nachbau der Litfaßsäule, die 1989 auf dem Augustusplatz, damals Karl-Marx-Platz, stand und die dort bereits zum Austausch genutzt wurde. „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ – auf diesen Slogan der Montagsdemonstrationen nimmt Kino in Bewegung Bezug. Möller erklärt, dass man zurück zu dem Gedanken von ’89 kommen wolle.
Kino in Bewegung scheint nicht die Absicht zu haben, die Menschen vom Land bekehren zu wollen. Das Ziel sei vielmehr, Anstöße zu liefern – eben, in Sachsen etwas zu bewegen. „Kulturprojekte und politischer Aktivismus sind dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen. In einer Kulturinitiative kann ich viel offener sein, als wenn ich eine politische Aktivistin wäre. Es braucht aber beides.“, betont Frederike.
Für junge Menschen, die nach den Ergebnissen der Kommunal- und Europawahl und vor der Landtagswahl in Sachsen das Gefühl haben, etwas gegen den Rechtsruck unternehmen zu müssen, hat von Wedemeyer eine klare Empfehlung: „Gerade Studierenden, die hierher ziehen, kann ich raten, sich zu interessieren und Leipzig nicht nur als Übergangsort wahrzunehmen. Also anmelden und wählen gehen!“ Bei der Initiative Kino in Bewegung können übrigens alle mitwirken, nicht nur Studierende der HGB.
Titelbild: Clemens von Wedemeyer
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