Gegenproteste blockieren IB-Demonstration in Halle
Am Samstag demonstrierten Tausende in Halle gegen das 200-köpfige Sommerfest der rechtsextremen Identitären Bewegung. Deren geplante Demonstration konnte wegen zahlreicher Blockaden nicht stattfinden.
Für den 20. Juli 2019 hat die Identitäre Bewegung (IB) in Halle zu einer Demonstration mit dem Titel „Europa verteidigen – Es bleibt unsere Heimat“ und einem abschließenden Sommerfest eingeladen. Die Reaktion darauf war groß: Das Bündnis Halle gegen Rechts rief unter dem Motto „Identitäre stoppen! Für Solidarität ohne Grenzen“ zu Gegenprotesten auf. Verschiedene Organisationen planten weitere Demonstrationen und Kundgebungen, unter anderem eine Fahrraddemonstration von Critical Mass Halle. Außerdem luden Stadt und Universität zu einem Bürgerfest für Demokratie ein.
Die IB ist eine ─ inzwischen auch vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte ─ völkische Gruppierung, die einen „Rassismus ohne Rassen“ propagiert. Dieser Begriff des Sozialwissenschaftlers Stuart Hall beschreibt, dass Rassismus ohne den Bezug auf Rassentheorien stattfindet. Im Zentrum der IB-Ideologie steht die Theorie vom „Großen Austausch“: Durch Massenmigration, One-World-Propaganda und Globalisierung werde die weiße europäische Bevölkerung durch andere Kulturen ausgetauscht.
In Halle gibt es seit 2017 ein Hausprojekt der IB. Es befindet sich in der Adam-Kuckhoff-Straße, direkt gegenüber vom geisteswissenschaftlichen Steintorcampus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und dient als Wohn- und Veranstaltungsort der örtlichen IB-Gruppe namens Kontrakultur Halle. Deren Anführer und Gründer Mario Müller ist bereits mehrfach wegen politischer Gewaltstraftaten vorbestraft.
Vergangenen Samstag reisten bereits um 9:20 Uhr etwa 150 Menschen an, zusammen mit dem Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz. Als Spontandemonstration begaben sie sich zum Rannischen Platz, wo sie auf Teilnehmer*innen von Halle gegen Rechts trafen. Dort gab es mehrere Redebeiträge, bevor sich die Teilnehmer*innen als Demonstrationszug zum Steintorcampus bewegten. Zeitgleich starteten eine zweite Demonstration am Steintor und die Fahraddemonstration von Critical Mass am August-Bebel-Platz.
Um 11:25 Uhr gelang es einigen Demonstrant*innen, sich von der geplanten Strecke zu lösen und trotz Versuchen der Polizei, sie zu stoppen, zur Kreuzung Ludwig-Wucherer-Straße Ecke Gütchenstraße zu laufen. Man erwartete an dieser Stelle die Demonstration der Identitären. An der dortigen Sitzblockade nahmen circa 200 Personen teil.
Währenddessen standen beim Sommerfest vor dem Haus der IB ungefähr 150 Personen, hauptsächlich junge Männer, die sich wegen der vielen Gegendemonstrant*innen nur in einem kleinen Umkreis bewegen konnten. Neben den Identitären-Shirts und -Flaggen gab es auch Aufschriften von unter Rechtsextremen beliebten Marken wie Thor Steinar zu sehen: zum Beispiel „Maulkorb Demokratie ─ Nein Danke“. Obwohl das Bürgerfest für Demokratie vom Steintorcampus auf den Marktplatz verlegt worden war, war das Haus der Identitären von Campusseite und in beiden Straßenrichtungen von Protestierenden umgeben.
Kontrakultur Halle hatte gleichdenkende Gruppierungen und Personen aus anderen Städten zu Demonstration und Sommerfest eingeladen. Martin Sellner, der IB-Sprecher Österreichs, war tagsüber vor allem in der Stadt unterwegs, während die IB Bayern mittags versuchte, zum Haus am Steintorcampus zu gelangen. Nicht weit weg davon, an der Kreuzung August-Bebel-Straße Ecke Weidenplan, kesselten Gegendemonstrant*innen sie ein. Nach einigen Minuten beschloss die Polizei, die Mitglieder der IB Bayern zum Hauptbahnhof zu bringen ─ begleitet von Protestierenden.
Dort ging es für sie allerdings nicht weiter, genauso wie für gut 25 Rechtsradikale, die vom Bahnhof zum Steintorcampus wollten. Das untersagte die Polizei aus Sicherheitsgründen. Gegen 13:12 Uhr geleiteten Polizist*innen die IB München durch die Innenstadt, dabei gab es immer wieder anitfaschistische Blockaden, die von der Polizei geräumt wurden. Am Hallmarkt kam alles zum Stehen und nach längerer Wartezeit brachten schließlich Polizeiautos die Mitglieder der IB München weg.
Um 15:30 Uhr beschloss die Versammlungsbehörde, dass die IB keinen Aufzug starten darf. Vor dem Haus der Identitären waren viele enttäuschte Gesichter zu sehen, aber Daniel Fiß, Bundesvorstand der IB Deutschland, betonte, einige Mitglieder der Gruppe seien noch in der Stadt unterwegs, genauso wie Martin Sellner, auf den man gespannt warte. Er erreichte die Veranstaltung jedoch erst abends.
Direkt neben den Identitären feierten die Gegendemonstrant*innen noch längere Zeit mit Musik und Tanz. Es blieb friedlich, die Identitäre Bewegung schreibt aber auf ihrer Website: „Die Rechtsbrüche der Polizei werden definitiv ein juristisches Nachspiel haben.“
Fotos: Pauline Reinhardt
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