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  • „Jeder Rote ist ein Grüner“

    Marco Böhme tritt erneut für DIE LINKE zur Landtagswahl an. Der gebürtige Leipziger setzt sich nicht nur für soziale, sondern auch „grüne“ Themen ein.

    „Es ist gerade viel los“, entschuldigt sich Marco Böhme für den Trubel im INTERIM, dem offenen Projekt- und Abgeordnetenhaus in der Demmeringstraße in Lindenau. Spätestens der Blick auf ein Flipchart, die mit Terminen versehen ist, verrät, dass sich der sächsische Landtagsabgeordnete und sein Team gerade in der Hochphase des Wahlkampfs befinden. Marco Böhme will am 1. September zum zweiten Mal für DIE LINKE in den Landtag des Freistaats einziehen. Der gebürtige Leipziger tritt als Direktkandidat im Wahlkreis 30 (Leipzig 4) an. Zu seinem Wahlkreis gehören die Stadtteile Altlindenau, Böhlitz-Ehrenberg, Leutzsch, Lindenau, Lützschena-Stahmeln, Neulindenau, Plagwitz und Schleußig.

    Im INTERIM finden jährlich circa 400 Veranstaltungen statt. Marco Böhme nutzt die Räumlichkeiten auch als Büro. (Foto: Team Böhme)

    Böhme ist ein Ur-Leipziger – in Grünau aufgewachsen, ist er bis heute der Messestadt treu geblieben. Selbst während seiner Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten in Freital und seinem Studium der Stadt- und Raumplanung in Erfurt pendelte er zwischen den jeweiligen Städten und Leipzig. „Ich freue mich immer wieder, zurück zu kommen“, gibt er mit einem Lächeln zu. „Die Stadt bietet so viel Freiheit, um sich selbst zu verwirklichen. Das ist wirklich einmalig.“ Seit elf Jahren lebt Böhme im Leipziger Westen. Hier ist der 29-Jährige sehr vernetzt: „Ich mache einmal im Monat eine Wahlkreistour und besuche Vereine und Initiativen hier im Kiez. Dabei höre mir die Probleme an und nehme meistens Stadträte und Stadträtinnen mit, um auch die kommunalen Anliegen anzugehen.“

    Mit gerade einmal 24 Jahren zog Böhme 2014 für DIE LINKE in den sächsischen Landtag ein. Seit 2017 ist er der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Bereits vor seiner Zeit als Berufspolitiker setzte er sich für eine offene Gesellschaft ein: „Eigentlich bin ich zur Linkspartei gekommen, weil wir früher in Grünau immer von Nazis belästigt und zum Teil verkloppt wurden“, erzählt Böhme. Die Teilnahme an Demos gegen Rassismus und Diskriminierung habe ihn bis heute nachhaltig politisiert. Er selbst bezeichnet sich als Aktivist – insbesondere im Bereich Klima und Umwelt. Als Abgeordneter ist er auch parlamentarischer Beobachter und versucht Situationen zwischen Polizei und Demonstrierenden, die zu eskalieren drohen, zu entschärfen.

    Dass dies nicht immer funktioniert, musste der Linken-Politiker jüngst aus nächster Nähe miterleben. Als sich Mitte Juli mehrere hundert Personen auf der Leipziger Hildegardstraße versammelten, um gegen die Abschiebung eines Mannes zu protestieren, kam es zu Polizeigewalt gegen Demonstrierende, die auf dem Boden lagen. Böhme machte diese Szenen per Video öffentlich und kritisierte daraufhin das Vorgehen der Behördenvertreter*innen. „Die Polizei sieht bei Protesten und Demonstrationen den Gegner oftmals links von ihnen stehen“, stellt er ernüchternd fest. Er verstehe nicht, wieso linke Aktivist*innen, die für Menschenrechte und gegen Rassismus auf die Straße gehen, von der Polizei als natürlicher Feind angesehen werden. Vielmehr müsse die Polizei die Gesellschaft vor der tatsächlichen Gefahr von rechts verteidigen. Böhme selbst ist nach seiner Kritik an der Abschiebung und der Polizeigewalt mit dem Tod bedroht worden. Zwar sei er als Politiker im Sächsischen Landtag vermehrt Anfeindungen ausgesetzt, doch nach dem Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke sah er sich nun gezwungen, die Morddrohungen zu veröffentlichen: „Mich schränken solche Drohungen nicht ein.“ Vielmehr bestärke es ihn darin, seine Arbeit als Politiker fortzuführen und entschieden gegen Extremismus vorzugehen.

    „ÖPNV für alle!“ – eines der zentralen Wahlkampfthemen von Marco Böhme und seiner Partei (Foto Team Böhme)

    Neben sozialen Themen setzt sich Böhme auch für „grüne“ Anliegen ein. Er ist Sprecher für Klimaschutz, Energie und Mobilität, Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft und engagiert sich in verschiedenen Vereinen und Initiativen wie beim Ökolöwe Umweltbund Leipzig. Zudem ist er aktiv an den Braunkohleprotesten um das Bündnis Ende Gelände beteiligt. Als Grüner in einem linken Gewand würde sich Böhme allerdings nicht bezeichnen: „Jeder Rote ist ein Grüner, aber nicht jeder Grüne ein Roter“, betont er und lacht. „Bevor ich in DIE LINKE eingetreten bin, war ich tatsächlich mal in der GRÜNEN JUGEND Leipzig, aber die waren mir zu spießig und wollten das System nicht ändern, sondern den Kapitalismus nur ökologischer gestalten.“ Und genau das sei die Krux an der Sache. Denn um auch den Klimawandel zu stoppen, so Böhme, muss ein Systemwechsel her. „Energiekonzerne müssen dem Staat und somit den Bürgern gehören und dürfen nicht privatwirtschaftlich organisiert werden“, ist sich der Landtagsabgeordnete sicher.

    Als Verkehrspolitischer Sprecher der Linken in Sachsen setzt sich Böhme für den Ausbau des Fahrradverkehrs ein. „Jede Hauptstraße soll mit einem Radweg versehen werden“, fordert der junge Politiker. Damit einher gehe auch ein flächendeckendes Tempo-30-Limit in Städten, um die „schwächeren“ Verkehrsteilnehmer*innen wie Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zu schützen. Darüber hinaus werben Böhme und seine Partei für ein sachsenweites Sozialticket für den ÖPNV, den Ausbau der Schulen und die Stärkung des ländlichen Raums.

    Um all diese Vorhaben realisieren zu können, hofft Böhme auf eine rot-rot-grüne Mehrheit in Sachsen, wie es sie bereits in Thüringen, Brandenburg und demnächst in Bremen gibt. Die derzeitigen Prognosen (CDU und AfD liegen gleichauf bei 26 Prozent, Quelle: Spiegel Online) lassen jedoch wenig Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung zu. Nichtsdestotrotz ist sich Böhme sicher, dass die Entscheidung in seinem Wahlkreis diesmal zwischen den Grünen und seiner Partei fallen wird. „Es wäre aber schön, wenn der Stadtteil letztlich rot wird“, gibt er mit einem breiten Lächeln zu.

     

    Bis zum 1. September laden wir Porträts von Leipziger Kandidierenden für die Landtagswahl hoch. Die porträtierten Personen gehören verschiedenen Parteien an; die Artikel werden in zufälliger Reihenfolge veröffentlicht.

     

    Titelbild: Team Böhme

     

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