Capture the Flag
Kolumnist Dennis ist der Meinung, dass wir unsere Nationalflagge nicht den Gegnern unserer freiheitlichen Werte überlassen sollten.
Schwarz, Rot und Gold – Wer an diese Farbkombination denkt, assoziiert damit im besten Fall noch Fußballfans, die mit dem entsprechenden Rückspiegelüberzug oder Plastikfähnchen am PKW ihrer Mannschaft huldigen. Viel mehr wird Schwarz-Rot-Gold jedoch mit den Bierzeltpatrioten von Pegida verbunden, die einmal die Woche Ostdeutschland in Beschlag nehmen und gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes demonstrieren. Ansonsten herrscht eine kühle Distanz zu unserer Nationalflagge, da Patriotismus und Nationalstolz aus historischen Gründen äußerst verpönt sind. Was für die meisten Nachbarländer durchaus identitätsstiftend ist, spielt bei uns fast keine Rolle ─ die bloße Identifikation mit den Nationalfarben. Zu verwurzelt ist neben der Assoziation zum Nationalismus die ausgrenzende Lesart einer Nationalflagge, die immer nur die jeweilige Bevölkerung repräsentiert.
Schaut man sich aber die Historie der Flagge an, wird indes ihr demokratischer und progressiver Charakter deutlich. 1832 protestierten Studenten beim Hambacher Fest für eine Verfassung, die zum Beispiel Wahlrecht und Meinungsäußerungsfreiheit garantieren sollte, wobei die Farben erstmalig als Flagge präsentiert wurden. Sprich: Es ging um das Einfordern von Rechten, die den Weg für gesellschaftlichen Fortschritt ebneten, von dem wir noch heute profitieren. „Aus der Schwärze der Fürsten-Knechtschaft, durch blutrote Schlachten, an das goldene Licht der Freiheit.“ Dann als Symbol für die erste Republik verwendet, wurde sie später von den Nazis verboten, da sie für eben die republikanischen Werte stand, welche die Nationalsozialisten ablehnten.
Heute wird sie unter anderem von den Leuten geschwenkt, welche sich wohl eher mit der Epoche ab 1933 identifizieren. Sie haben sie damit zum Symbol für Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit gemacht. Oder wer denkt bei der Flagge nicht direkt an einen Pegida-Aufzug?
Doch ein Großteil der Menschen hat gerade in der heutigen Zeit das Bedürfnis, sich mit den zentralen Werten unserer Gesellschaft zu identifizieren, die von unserer Verfassung und der darin gesetzten Flagge symbolisiert werden. Und wenn das Flaggezeigen im politischen Kontext nur noch bei einer Pegida- oder AfD-Demo möglich ist, weil man sonst als rechtsextrem gilt, scheint das eine äußerst ungute Entwicklung zu sein. Es trägt weiterhin zu einer Spaltung des Denkens in Schwarz und Weiß bei, sodass am Ende niemand mehr miteinander spricht. Im Übrigen kann sich nicht jeder mit einer roten Flagge oder einer Regenbogenfahne identifizieren. Und gerade dann, wenn besagte Gruppen eigentlich jene Werte vertreten, die mit unserer Flagge und unserem Grundgesetz nicht vereinbar sind, kann es nicht sein, dass wir das als Demokraten zulassen und ihnen die Deutungshoheit darüber zugestehen. Denn es gibt den Rechtsextremen und Fremdenfeinden die Macht, darüber zu entscheiden, wer zu unserem Land gehört und wer nicht. Als Gesellschaft müssen wir uns auf gemeinsame Werte berufen können, um sie gegen ihre Gegner, die sich aber regelmäßig unter der Flagge versammeln, zu verteidigen. Diese Werte, wie Freiheit, Gleichberechtigung oder Religionsfreiheit, werden durch Schwarz-Rot-Gold verkörpert.
Es geht mir natürlich nicht darum, bei jeder Gelegenheit die Flagge aus dem Altbaufenster zu hängen. Es geht darum, mich mit anderen auf einen gemeinsamen Nenner zu berufen und das Symbol dafür gegen Missbrauch von Rechtsextremen und Rassisten zu verteidigen, die unsere verfassungsmäßig garantierten Werte ablehnen, auch wenn du oder ich mit der Flagge sonst nichts am Hut haben. Zudem ermöglicht es, die selbsternannten Patrioten so richtig zu ärgern. Und was das Thema Nationalstolz angeht, ein Vorwurf, der sich in diesem Kontext anbietet, möchte ich nur Jan Böhmermann zitieren: „We are proud of not being proud.“
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