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  • „Es ist ein Missverständnis, dass Drittmittel immer aus der Wirtschaft kommen”

    Nach zwei Amtszeiten als sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst verlässt Eva-Maria Stange die Politik. luhze-Redakteurin The­resa Moosmann hat sie zum Interview getroffen.

    Die Dresdnerin hat im Bereich Physik-Didaktik pro­mo­viert, war acht Jahre lang Bundesvorsitzende der Ge­werk­schaft GEW und ist seit Ende der Neunziger Jahre SPD-Mitglied. Sie blickt positiv auf Sachsens Hochschulentwicklung.

    luhze: Wie kommt es, dass Sie nicht erneut für das Ministeramt kandidieren werden?

    Stange: Ich bin jetzt über 25 Jahre in der Politik. Jetzt sage ich: Es ist gut, das darf nun jemand Jüngeres machen. Ich habe auch über 40 Jahre gearbeitet, und ich denke ich habe eine Menge erreichen können, auch als Ministerin.

    Heißt das, Sie ziehen sich komplett aus der Politik zurück?

    Ja, ich ziehe mich komplett zurück. Ich bin auch nicht mehr für ein Landtagsmandat angetreten. Die Regierungsbildung wird ja erst noch kommen, ich habe aber bereits gesagt dass ich nicht mehr zur Verfügung stehe.

    Sie sagten in einem Pressebericht der dpa, dass „die SPD in der Regierung bleibt, aber nicht in jeder Konstellation“. Auf welche Konstellation spielen Sie da an?

    Wenn die SPD in die Koalition gehen sollte, muss es vorher einen Koalitionsvertragsentwurf geben, der auch von den Mitgliedern akzeptiert wird. Dazu müssen die Koalitionsverhandlungen allerdings erstmal beginnen, damit man weiß, was die anderen Koalitionspartner wollen und ob man seine eigenen Ziele, zum Beispiel das Thema Gemeinschaftsschule, unterbringen kann ─ und dann im Anschluss einem Koalitionsvertrag zustimmen kann. Die SPD ist bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, aber nicht in jeder Konstellation. Der Koalitionsvertrag muss auch eine sozialdemokratische Prägung haben.

    Worauf können sich die Hochschulen Sachsens einstellen, falls die Koalition aus CDU, SPD und Grüne tatsächlich kommen sollte?

    Für die Hochschulen ist es eigentlich eine komfortable Situation. Wir haben Ende 2016 einen Hochschulentwicklungsplan mit einer Zuschussvereinbarung aufgestellt, der bis 2025 gilt. Das ist erstmal die Grundlage für jegliches Handeln, insofern haben die Hochschulen ein gutes Fundament. Es gibt einige Punkte, die dennoch weiterentwickelt werden müssten, zum Beispiel gibt es Bedarf, das Hochschulgesetz zu novellieren ─ was wir in der vergangenen Legislaturperiode nicht gemacht haben, da wir uns im Koalitionsvertrag darauf nicht einigen konnten. Der zweite Punkt ist: Wir haben auf Bundesebene den sogenannten Zukunftsvertrag, also die Fortsetzung des Hochschulpaktes, beschlossen. Das bedeutet, dass wir ab 2021 vom Bund rund 70 Millionen Euro pro Jahr für die Hochschulen bekommen. Anders als beim Hochschulpakt, bei dem es auch darum ging, über einen befristeten Zeitraum die Studienplätze im Osten aufrecht zu erhalten, sollen damit auch vorwiegend feste Stellen geschaffen werden. Laut unserer Berechnung hängen etwa 1.000 dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse daran. Dieser Zukunftsvertrag muss daher auch im Koalitionsvertrag für die Hochschulen eine Rolle spielen.

    Zum Thema Finanzen gehört auch das Thema Drittmittel. Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) hat in diesem Jahr einen Drittmittelrekord eingefahren. Sehen Sie diese Entwicklung auch kritisch für die Freiheit der Forschung und Lehre?

    Der überwiegende Teil der Drittmittel der HTWK – und das waren im Jahr 2017 etwa 6,6 Millionen Euro – kommt nicht aus der Wirtschaft. Diese Gelder sind Bundesmittel oder europäische Mittel, die wettbewerblich über Projekte eingeworben wurden. Etwa 600.000 Euro kommen hingegen aus der Wirtschaft, also etwa zehn Prozent. Es ist ein Missverständnis, dass Drittmittel immer aus der Wirtschaft kommen würden.

    Gerade dort, wo wir Technikwissenschaften haben, unterstützen diese Gelder – und das sollen sie bitte auch –  unsere Wirtschaft, indem sie technologische Entwicklung vorantreiben. Das ist eine der Aufgaben der Hochschulen. Die Universität Leipzig ist auch ein guter Drittmitteleinwerber, vor allem in Sachen öffentliche Mittel in den Naturwissenschaften. Die technischen Universitäten sind da zum Teil mehr im wirtschaftlichen Bereich unterwegs, aber diese Wirtschaftsmittel sind nichts grundsätzlich schlechtes, sondern etwas, um auch die Unternehmen voranzubringen. Denn wir haben keine Forschungseinrichtungen bei den Unternehmen, wir haben nur die Hochschulen. Und die betroffenen Unternehmen sind häufig kleine oder mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Forschungsabteilung leisten können. Dort können die Hochschulen einspringen.

    Ist es nicht dennoch kritisch zu betrachten, dass ein großes Unternehmen wie die Telekom Professuren an der HTWK finanziert, auf deren Basis eine neue Fakultät eingerichtet wurde?

    Das Studium für angewandte Informatik, das es an der Telekom-Hochschule gab, wäre ansonsten verschwunden. Im guten Gespräch hat die HTWK beschlossen, diese Studiengänge aufzunehmen. Dafür müssen sie allerdings neu akkreditiert werden, die Studiengänge wurden also nicht einfach übertragen. Die Professoren müssen sich ebenfalls einem Berufungsverfahren unterziehen, das heißt also nicht, dass die Professuren eins zu eins von der Telekom-Professur an die HTWK über gehen. Das sind 17 Professuren, die größte Zahl von Stiftungsprofessuren, die jemals an einer deutschen Hochschule etabliert wurde. Der große Unterschied zu anderen Stiftungsprofessuren ist, dass die Telekom diese bis zum Lebensende finanzieren wird. Die Hochschule muss diese also nicht nach einigen Jahren ablösen, sonst hätten wir uns auch gar nicht darauf eingelassen. Das heißt aber nicht, dass die Telekom in irgendeiner Weise Mitspracherecht hat bei der wissenschaftlichen Ausrichtung. Die Professuren sind also von der Telekom finanziert, die Telekom hat aber keinen Einfluss auf die Besetzung dieser Professuren. Das Unternehmen hat sich damit lediglich die Garantie gesichert, dass es am Standort Leipzig weiterhin Absolventen gibt, die auch von der Telekom beschäftigt werden können. Das ist auch in unserem Interesse.

    Worauf blicken Sie in Bezug auf Ihre Amtszeiten als Ministerin für Wissenschaft und Kunst gerne zurück?

    Ich bin stolz darauf, dass im Rahmen des Hochschulgesetzeses ab 2008 in Sachsen keine Studiengebühren eingeführt wurden, obwohl der damalige Ministerpräsident Milbradt das unbedingt wollte. In der jetzigen Legislaturperiode war mir am wichtigsten, dass wir den Stellenabbau an den Hochschulen beendet haben, der in der CDU-FDP-Regierung im Jahr 2012 beschlossen worden war. Dafür haben wir 2016 den Hochschulentwicklungsplan bis 2025 auf den Weg gebracht. Der Stellenabbau hätte auch viele kleinere Studiengänge betroffen, auch an der Uni Leipzig. Daher ist das für mich der größte Erfolg, dass wir den Hochschulen eine Entwicklungsperspektive über einen einmalig langen Zeitraum geben konnten.

    Ist der Hochschulentwicklungsplan denn relativ unanfechtbar in der neuen Regierung?

    Das Wörtchen relativ ist immer richtig, denn jede Regierung kann neue Entscheidungen treffen. Dennoch ist der Plan vertraglich gesichert, die Hochschulen verlassen sich auf diese Langzeitperspektive. Da geht eine neue Landesregierung auch nicht einfach dran.

    Gibt es etwas, das Sie gerne noch umgesetzt hätten?

    Ich hätte schon gerne noch das Hochschulgesetz novelliert. Zum Beispiel gibt es viele wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen, die sich zwischen einer erfolgreichen Promotion und der Professur befinden. Man kann aber Professuren nicht unendlich ausbauen, also man muss neben den Professuren eine Personalkategorie schaffen, die einem Post-Doc die Möglichkeit gibt, an der Hochschule zu bleiben. Dort braucht es volle und unbefristete Stellen.

     

    Titelbild: Annika Seiferlein

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