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  • „Pragmatische Zusammenschlüsse“

    Tom Bioly leitet am Orientalischen Institut die Arbeits­gruppe Moscheegemeinden in Sachsen mit. luhze-Redakteur David Will sprach mit ihm über muslimische Gemeinden und das Zusammenleben.

    luhze: Inwiefern unterscheidet sich muslimisches Leben in Ostdeutschland von dem in Westdeutschland?

    Bioly: In den neuen Bundesländern gibt es viel weniger Muslime, von denen viele auch erst nach 1990 in die Gebiete gekommen sind. Dementsprechend sind die Strukturen der Gemeinden im Vergleich sehr schwach, weswegen auch die Fluktuation viel stärker ist, gerade von Ostdeutschland nach Westdeutschland. Das ist aber kein Phänomen, das nur die muslimischen Gemeinden betrifft.

    Wie viele Moscheegemeinden haben Sie in Sachsen gezählt?

    Wir haben bisher knapp 30 Gemeinden gezählt, wenngleich wir von manchen bisher nur den Namen kennen. Gerade in den kleineren Städten sind die häufig sehr jung und wenig etabliert. Oft sind das pragmatische Zusammenschlüsse von wenigen Leuten, die einen regelmäßigen Ort zum gemeinsamen Beten suchen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass gerade hierzu nur sehr wenige und versprengte Informationen vorliegen. Manch­mal muss man daher zunächst prüfen, ob beispielsweise eine Gemeinde, deren Name irgendwo im Internet auftaucht, überhaupt noch existiert. So fällt es auch staatlichen Stellen nach wie vor schwer, die Übersicht zu wahren.

    Welchen Stellenwert nimmt der Islam für Muslime in Sachsen ein?

    Das können wir nicht genau sagen. Da wir über muslimisches Leben in Sachsen aber insgesamt noch so wenig wissen, untersuchen wir erstmal nur das Gemeindeleben. Das heißt, wir schauen nur auf diejenigen Muslime, die einer mehr oder weniger regelmäßigen religiösen Praxis nachgehen. Aber es ist immer wieder wichtig zu betonen, dass das auf eine Mehrheit der Muslime in Deutschland und auch in Sachsen nicht zutrifft, sie also auch nicht durch eine Gemeinde vertreten werden.

    Inwiefern verändern sich die muslimischen Gemeinden durch die Migration der letzten Jahre?

    Viele, die die Möglichkeit haben, zieht es weiter in etablierte westdeutsche Gebiete. Aber insgesamt sorgt das natürlich für eine gewisse Heterogenisierung in Sachsen, wo die Gemeinden vorher ethnisch oder national durchmischter waren. In der bosniakischen Gemeinde etwa stammt jetzt bei den Freitagsgebeten die Mehrzahl der Besucher aus Syrien. Sprachlich allerdings ist das Angebot insgesamt übersichtlich für Muslime, die nur Arabisch sprechen. Da hat zum Beispiel die Rahman-Moschee in Leipzig um den umstrittenen Imam Hassan Dabbagh einen echten Standortvorteil, weil dort die Predigten und sonstigen Angebote auf Deutsch und Arabisch stattfinden.

    Wie steht es um Kontakte zwischen Nichtmuslimen und Mus­limen in Sachsen?

    Es gibt vereinzelt Dialoginitiativen oder es spricht mal ein Vertreter einer Moscheegemeinde auf einem Podium. Ansonsten ist der Austausch nicht sehr stark. Das liegt, glaube ich, an beiden Seiten: Sowohl von der Bevölkerung ist für mein Empfinden das Interesse nicht sehr groß, aber auch die Gemeinden haben teils andere Sorgen. Die haben ganz grundsätzliche Fragen, wie sie etwa ihre Räumlichkeiten aufrechterhalten. Da bleibt weder viel Zeit noch Personal oder Motivation für größer angelegte Initiativen. Das betrifft auch den Kontakt der Gemeinden untereinander.

    Titelbild: Simone Rauer

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