Hinter verschlossenen Türen
Das Grassi Museum für Völkerkunde und das Museum der bildenden Künste inventarisieren ihre Bestände. Ein Blick auf die Objekte, die in Kisten verpackt anstatt ausgestellt sind.
Mit über 200.000 Objekten besitzt das Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig eine der größten ethnographischen Sammlungen Deutschlands. Doch was in den Schaukästen zu bestaunen ist, sind nur sieben Prozent des Gesamtbestandes. Die restlichen 93 Prozent werden in den Magazinen im Museumskeller aufbewahrt. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches: So zeigen auch die Ausstellungen im Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig lediglich 500 von insgesamt 80.000 Objekten.
Seit einigen Jahren wird der Debatte um Restitutionen, also die Rückerstattung geraubter Kulturgüter an die legitimen Eigentümer*innen, mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dies rückte auch die Museen selbst und deren teilweise erheblichen Probleme ins Licht der Öffentlichkeit. Jörg Häntzschel schreibt in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung über die Lagerbedingungen des Ethnologischen Museums in Berlin: „Wasser dringt durch Dach und Fassade. Die Klimaanlage, die seit der Einweihung nie erneuert wurde, kommt dagegen nicht an. Brandschutz? Ist nicht vorhanden.“ Zudem kamen Zweifel auf, ob Museen überhaupt wüssten, was sich in ihren Lagern befindet, da große Teile der Sammlungen oft noch gar nicht gesichtet wurden. Eine Kuratorin, die ethnologische Museen in mehreren Ländern kenne, äußert sich in dem Artikel dazu wie folgt: „In den Depots der deutschen Museen kommt einem das Weinen.“
Als Antwort unterzeichneten im Mai 26 Direktor*innen von ethnologischen Museen im deutschsprachigen Raum die Heidelberger Stellungnahme. Darin verpflichten sie sich dazu, laufende Forschungen zu Sammlungsbeständen öffentlich zu machen. Auch Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der drei Völkerkundemuseen in Dresden, Leipzig und Herrnhut, befindet sich unter den Unterzeichner*innen.
Erste Fortschritte gibt es schon: Sowohl das MdbK als auch das Grassi Museum für Völkerkunde sind gerade dabei, ihr Inventar zu sichten. Letzteres befindet sich zurzeit in der Planungsphase für eine neue Dauerausstellung ab 2023. Aus diesem Anlass werden alle Objekte neu eingeordnet. „Nicht alles vom Bestand ist inventarisiert, wir befinden uns aber auf einem guten Weg“, sagt Ute Uhlemann, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Grassi Museum für Völkerkunde. Es handele sich um einen sehr langwierigen Prozess: „Qualität ist uns wichtiger als Quantität. Je mehr Informationen wir zu einem Objekt herausfinden, desto besser.“ Der nächste Schritt sei die digitale Veröffentlichung der Inventarlisten, ein kleiner Teil ist auch schon online zugänglich.
Der Keller dient vor allem als Abstellfläche. Hinter roten Türen befindet sich eine Schädlingsbekämpfungsanlage. Zu den Magazinen im Keller haben nur ausgewählte Mitarbeiter*innen in Schutzkleidung Zugang. Grund für die komplexe Aufbewahrung seien laut Uhlemann die Ausdünstungen der Objekte, durch die Schadstoffe freigesetzt werden. „Ein gutes Beispiel dafür sind vergiftete Indianerpfeile.“
Titelfoto: Pia Benthin
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