Jüdisch, Französisch oder Transnational?
In ihrem Vortrag während der 20. Simon-Dubnow-Vorlesung kritisierte die Wissenschaftlerin Renée Poznanski die Sonderrolle, die Juden im Rückblick auf den französischen Widerstand noch immer einnähmen.
Am 15. November lud das Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow zu seiner bereits 20. Simon-Dubnow-Vorlesung in die Alte Handelsbörse Leipzig. Die seit 2000 jährlich stattfindende Vorlesungsreihe bietet Besucher*innen einen Einblick in die Arbeit hochrangiger Wissenschaftler*innen auf dem Gebiet jüdischer Lebenswelten. Dieses Jahr war Renée Poznanski mit ihrem Vortrag „Jewish, French or Transnational? East European Jews in the Résistance“ Gast der Veranstaltung. In ihrem Beitrag befasste sie sich mit den Fragen der Beteiligung osteuropäischer Juden an der französischen Résistance, den inneren Strukturen und transnationalen Identitäten innerhalb des Widerstands gegenüber den Nationalsozialisten im besetzten Frankreich. Berühmte Vorredner*innen der letzten Jahre waren unter andrem Jan T. Gross, der mit seinem Werk „Nachbarn“ eine der größten Debatten zu polnischer Kollaboration und Antisemitismus auslöste, oder der israelische Historiker Saul Friedländer.
Die französisch-israelische Wissenschaftlerin von der Ben Gurion Universität des Negev setzte den Fokus ihres diesjährigen Vortrags auf die getrennte Betrachtung der französischen Geschichtsschreibung auf jüdischen und nicht-jüdischen Widerstand. Dieser Verortung des jüdischen Widerstands als nicht immanentem Teil der Résistance widerspricht sie, und bezeichnete die Juden als „größte Opfer aber wichtigen Teil“, der nicht für sich gesondert betrachtet werden dürfe. Poznanski gab in ihrem gesamten Vortrag einen präzisen und anschaulichen Überblick über Personen, Orte und Strukturen der Résistance, die von der Vielschichtigkeit von Identitäten getragen wurde, derer man nicht mir einfachen Narrativen oder Zuschreibungen gerecht würde.
Unter anderem sprach sie über Cristina Luca Boica, eine rumänische Kommunistin und Kämpferin der Résistance und der französisch-jüdischen Pfadfinderbewegung, die Tausenden von Kindern das Leben rettete.
Auf die abschließende Frage von Yfaat Weiss, Leiterin des Simon-Dubnow-Institut, nach ihrer persönlichen Motivation sich mit der Shoah und speziell der französischen Résistance zu beschäftigen, antwortet sie: „I am angry, I am just angry!“
Poznanski ist wütend über die Sonderrolle, die Juden in der Erinnerung an die Résistance noch immer einnähmen. Einen gesonderten jüdischen Widerstand habe es nämlich so nie gegeben, eine voneinander getrennte Betrachtung werde der Résistance nicht nur historisch nicht gerecht, sondern schließe Juden als aktiven Teil eines französischen Widerstands aus.
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