„Männerfußball ist eine andere Sportart“
Seit 2018 trainiert Katja Greulich das 1. Frauenteam bei RB Leipzig. Die gebürtige Leipzigerin war als Spielerin in Leipzig und Halle, als Trainerin in Leipzig, Jena und Schweden unterwegs.
Katja Greulich ist seit der Saison 2018/19 Cheftrainerin des 1. Frauenteams des RB Leipzig. Ihr Team spielt in der Regionalliga Nordost und hat sich durch den Gewinn des Landespokals 2019 für den DFB-Pokal 2019/20 qualifiziert. luhze-Autorin Sophie Berns sprach mit der ehemaligen Spielerin über Teamarbeit, RB Leipzig und die Popularität des Frauenfußballs in Deutschland.
luhze: Warum sind Sie Trainerin geworden?
Greulich: Ich habe damals bei Lokomotive Leipzig in der Zweiten Liga gespielt, bin für ein Jahr zum Halleschen FC gewechselt, musste aber aufgrund einer Verletzung aufhören. Nachdem ich mein Sportstudium mit dem Schwerpunkt Leistungssport in Leipzig beendet hatte, bin ich Co-Trainerin in Jena geworden und konnte parallel nicht mehr spielen. Das hätte ich auch zeitlich nicht geschafft. So habe ich von der Laufbahn als aktive Spielerin den Bogen zur Trainerin geschlagen.
War es denn von Beginn an Ihr Plan, nach Ihrer aktiven Karriere als Spielerin diesen Weg zu gehen?
Anfangs habe ich nicht auf dem Plan gehabt, dass ich irgendwann mal als Trainerin Geld verdienen werde. Ich wusste, dass das vielleicht meine Richtung werden kann, aber nicht, dass ich das hauptberuflich machen werde. Begonnen hat es dann erst mit den ganzen Lizenzen. Während des letzten Studienjahrs habe ich die A-Lizenz erworben. Mit der A-Lizenz und der Festanstellung in Jena war für mich dann schon klar, dass das jetzt mein Beruf ist.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit bei RB Leipzig zu Ihrer vorherigen beim FF USV Jena?
Von den Strukturen her ist es unterschiedlich: Die Infrastruktur ist hier in Bezug auf kurze Wege und Platzsituation vielleicht etwas schlechter. Aber bei RB Leipzig ist der Frauenfußball langfristig gesehen eine der besten Adressen. Man hat hier viel mehr Perspektiven. Denn wir haben eine super Anbindung zur Akademie und die dortigen professionellen Gegebenheiten, die wir nutzen können. Da sind wir schon sehr gut aufgestellt.
Haben Sie viel Kontakt zur Profimannschaft der Herren und wie profitieren Sie beziehungsweise Ihr Kollege Julian Nagelsmann davon?
Wir haben den Fußballlehrer zusammen gemacht, deshalb kenne ich Julian schon lange. Mit seinem Co-Trainer Robert Klauß habe ich zusammen studiert, wir hatten fast alle Veranstaltungen gemeinsam. Er war auch Fußballdozent an der Universität. Der Austausch ist nicht täglich gegeben, aber wir können ihn nutzen. Das ist ein ganz großes Plus für mich: die Erfahrungen und Erkenntnisse, die es in der Profimannschaft gibt, mitzunehmen. Um das ganze Trainerteam herum sind natürlich noch viele andere Leute, wie zum Beispiel Videoanalysten. Wir haben einen guten Austausch mit Daniel Ackermann, der auch hier an der Universität studiert hat.
Sie waren Landespokalsieger 2019. Was sind Ihre weiteren Ziele für die Mannschaft?
Aktuell sind wir Tabellenerster und das wollen wir natürlich nicht hergeben. Wir möchten so gut wie möglich abschneiden in der Liga. Wenn wir am Ende auf Platz eins sind, dann gibt es immer noch die Relegation. Wenn wir das schaffen, wäre es ein großes Plus für uns in die Zweite Liga aufzusteigen. Ansonsten ist der Landespokalsieg ein Ziel, das wir gerne wieder erreichen wollen.
Denken Sie, dass die Leute Ihnen als Frauenteam der Roten Bullen aufgrund des Namens eine gewisse Erwartungshaltung entgegenbringen?
Ja, natürlich. Dies kann positiv, aber auch kritisch ausfallen. Für uns ist es schön, diesen Verein zu präsentieren und mit der Mannschaft die Erfolge einzuholen, die man sich wünscht. Und natürlich zählt die Entwicklung und Ausbildung des Teams mehr als der Erfolg. Diesen Weg wollen wir nachhaltig gehen.
Bei der letzten Frauenfußball-WM lag die höchste Einschaltquote eines Deutschlandspiels bei circa 7,9 Millionen Zuschauer*innen. Das entspricht etwa einem Drittel der höchsten Einschaltquote der Männer-WM 2018 bei einem Deutschlandspiel. Wie erklären Sie es sich, dass Frauenfußball in Deutschland weniger Anklang findet? In den USA ist es zum Beispiel genau andersherum.
Der Frauenfußball ist in Deutschland noch sehr jung. In Amerika ist das schon alleine von der Kultur und vom Patriotismus her etwas ganz anderes. Da war Frauenfußball immer die Nummer Eins und Männerfußball eher hinten dran, weil er eine viel höhere Konkurrenz mit anderen Sportarten hatte. Bei uns ist Fußball die Nummer Eins, aber Männerfußball kann man nicht mit Frauenfußball vergleichen. Auf Grund der Geschichte dauert das noch seine Zeit und wir werden uns dem nie gleichstellen können. Unser Ziel muss es sein, etwas Eigenständiges zu finden und uns nicht immer mit den Männern zu vergleichen.
Was könnte die Popularität des Frauenfußballs in Deutschland steigern?
Gesichter, die Frauenfußball wieder populärer machen. Dass man nicht die ganze Zeit nur meckert, weil wir keine Sponsoren haben, und sich vieles nur ums Finanzielle dreht. Wir müssen einen Weg finden, den Sport lukrativer und populärer zu machen. Damals sind wir diesen Weg gegangen und hatten spezielle Gesichter wie eine Julia Simic, die aktuell in England spielt und da ihr Geld verdient. Wir haben einfach zu wenige Spielerinnen, die auch international einen großen Namen haben.
Mit dem neuen DFB-Präsidenten Fritz Keller ist wieder ein Mann an die Spitze eines großen Sportbundes gewählt worden. Sind Sie für die Einführung einer Frauenquote in Führungspositionen im Sport?
Da will ich mich jetzt gar nicht so weit rauslehnen. Wie viele Frauen sind Cheftrainerin in der Bundesliga? Aktuell, glaube ich, gar keine. Zu meiner Zeit als Cheftrainerin in der Bundesliga gab es zwei, Inka Grings und mich. Das ist leider so und hat wieder mit der Geschichte zu tun, aber vielleicht auch damit, dass es einfach zu wenige Frauen in diesem Bereich gibt. Zu wenige, die sich zutrauen, diesen Weg zu gehen. Es gibt eine riesengroße Männerdomäne. Frauenquote hin oder her, ich weiß nicht, ob das der richtige Weg sein kann. Man möchte Positionen ja auch qualitativ gut besetzen. Wenn die Qualität stimmt, sollte es erst einmal egal sein, ob Frau oder Mann.
Immerhin hat er sich dafür ausgesprochen, mehr Frauen in den DFB zu bringen.
Das stimmt. Ich habe auch gehört, dass er sich schon ein Nationalmannschaftsspiel der Frauen angeschaut hat. Seine Haltung war wirklich sehr positiv und er möchte mehr für den Frauenfußball tun. Das ist schon mal ein Statement.
Wie kann eine Veränderung der Ungleichbehandlung von Frauen im Fußball, zum Beispiel im Bereich der Bezahlung, herbeigeführt werden?
Auch da ist es wieder Angebot und Nachfrage. Es ist natürlich so, dass nur wenige Frauen in der Ersten Bundesliga vom Sport leben können. Der Rest muss arbeiten oder studieren. Erst einmal müssen wir woanders anfangen. Wir brauchen finanzielle Möglichkeiten, Sponsoren, die dieses Geld geben können. Vielleicht schafft man es irgendwann, Akademien zu bauen, nach England und Spanien zu schauen und dann den Spielerinnen hier in Deutschland die Möglichkeit zu geben, fünf, zehn oder 15 Jahre vom Fußball zu leben.
Im Männerfußball ist das wieder etwas anderes. Die Männer können, weil sie so viel verdienen, die nächsten Jahre davon leben. Wir nicht, also müssen wir noch etwas anderes nebenbei aufbauen und uns dann schon wieder Gedanken machen, was nach der Karriere ist. Immer mit diesem Hintergedanken: Ich kann das 15 Jahre lang machen, aber was tue ich danach? Und deshalb hat man durchgehend eine Doppelbelastung, die höchstwahrscheinlich jahrelang bleiben wird.
Generell sehen Sie die Zukunft des deutschen Frauenfußballs aber eher positiv?
Es muss jetzt eine Wende kommen. Wir haben eine neue Nationaltrainerin und versuchen, sehr viel in der Entwicklung zu machen. Wir waren vor einigen Jahren international gesehen viel besser. Für Olympia haben wir uns wieder nicht qualifiziert, auch das ist ein negativer Punkt für uns. Wir müssen deutsche Spielerinnen besser ausbilden und auch halten. Aktuell verziehen die sich alle nach England, nach Spanien, vielleicht sogar in die USA, um da Geld zu verdienen.
Titelfoto: motivio / Thomas Eisenhuth
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