„Es darf auch ruhig mal emotionaler sein“
Der Schweizer Musiker Faber hat am 1. November ein neues Album veröffentlicht: „I fucking love my life“. luhze-Redakteurin Pauline Reinhardt traf ihn vor seinem Konzert im Naumanns.
Der 26-jährige Musiker Julian Pollina, bekannt unter dem Künstlernamen Faber, macht Musik mit vielfältigen Klängen und ehrlichen Worten; voller Schwermut und Balkanmusikelementen. Am 1. November erschien sein zweites Album „I fucking love my life“. Vor der großen Tour, die ihn im Februar zusammen mit der Goran Koč y Vocalist Orkestar Band unter anderem in das Leipziger Haus Auensee führen wird, hat Faber am 26. November auf der kleinen Bühne im Naumanns (Felsenkeller) vor ausgewähltem Publikum gespielt. luhze-Redakteurin Pauline Reinhardt hat ihn davor zum Gespräch getroffen.
Du gehst ab Februar auf große Tour. Warum machst du vorher diese kleine, intimere Tour?
Erstens war es ein Probengag, diese Tour zu machen. Man konnte das Ticket nur mit dem Album zusammen kaufen – so haben wir uns in die Charts reingeschlichen. Und zweitens, weil es cool ist, beides zu machen. Wir sind nur zu zweit auf der Bühne und total frei; das ist wie ein Comedyprogramm. Es wird jeden Abend was ganz anderes. Die andere Person auf der Bühne ist von Goran Koč y Vocalist Orkestar Band, der Band, mit der ich sonst unterwegs bin: Tillmann Ostendarp, er spielt Schlagzeug und Posaune.
Wie viel Mitsprache hat die Band bei der Entstehung deiner Songs?
Es klingt hart, wenn ich sage „Die haben keine Mitsprache“. Aber es gibt schon klare Regeln und eine Rollenverteilung. Ich mach die Sachen fertig und dann schauen wir uns zusammen an, wie wir das angehen. Ich gebe immer sehr viel vor. Jammen ist nicht so unsere Sache. Durchkomponiert ehrlich gesagt auch nicht. Ich habe eine Vorstellung, wie es klingen soll und erkläre das der Band. Die sprechen dieselbe Sprache wie ich. Ich vertraue denen, dass sie das gut umsetzen. Die spielen ihre Instrumente tausendmal besser als ich und können sich auch viel besser vorstellen, was passt. Ich gebe nur die Richtung an, das muss ich nicht in Noten aufschreiben.
Der Musiker Marti Fischer wurde in einem Youtubevideo nach dir gefragt. Er sagt, dass du „den Chanson wieder salonfähig machen würdest, ohne dass es zu kitschig wäre“. Wie gefällt dir diese Beschreibung?
(lacht) War Chanson mal nicht salonfähig? Nee, finde ich voll gut. Und kitschig ─ Ich weiß, in Deutschland ist man sehr streng mit solchen Sachen. Aber ich finde, es darf ruhig auch ein bisschen emotionaler sein.
Dein Lied „Das Boot ist voll“ bezieht sich eher auf die politische Situation in Deutschland als in der Schweiz. Wie blickst du als Schweizer momentan auf Deutschland?
Der Rechtsrutsch ist kein deutsches Thema, er ist ein europäisches Thema, was genau gleich oder viel stärker in Italien oder Polen der Fall ist. Und natürlich auch bei uns in der Schweiz. Ich fühle mich nicht deutsch, aber ich blicke nicht als Schweizer auf Deutschland, sondern als jemand, der oft hier ist und viel mitbekommt. Wir sprechen ja auch dieselbe Sprache. Grundsätzlich herrscht momentan eine beunruhigende Situation in Europa. Die Gräben sind sehr tief, die Leute sehr gespalten. Es gibt wenig Toleranz den anderen gegenüber und das ist schlimm. Das kann schon gefährlich sein.
Bei den Musikvideos zu „Generation YouPorn“, „Vivaldi“ und „Sag mir wie du heißt“ warst du zusammen mit Slowboat Films an der Konzeption beteiligt. Hast du sowas zum ersten Mal gemacht und wie war das?
Ich hab vorher schon bei anderen Sachen mitgearbeitet, da habe ich aber eher Ideen gehabt und weitergegeben, und die haben das weitergemacht. Hier war alles sehr fokussiert mit drei Personen. Eine davon war ich. Wir wollten unbedingt ein kleines Team, wir hatten auch nicht so viel Geld, deswegen haben wir alle Positionen an möglichst gute, aber wenige Leute vergeben. Wenn man viele Leute hat, kann das an vielen verschiedenen Orten scheitern. Das wollten wir umgehen, darum haben wir von der Idee zur Umsetzung alles zusammen entwickelt.
In dem Lied „Generation YouPorn“ machst du unserer Generation den Vorwurf, sie sei prüde. Willst du mit deinen teilweise sehr expliziten Songtexten eine neue sexuelle Revolution anzetteln?
Nee, das wäre übertrieben (lacht). Das sind eher beschreibende Sachen, die ich zum Teil witzig finde oder die sehr tragisch sind. Gerade bei „Generation YouPorn“ steht dieser ständige Widerspruch, den mega viele haben, im Fokus: Jeder Elfjährige hat sexuell schon alles gesehen und trotzdem nichts gemacht.
Was willst du dann erreichen?
(lacht) Man darf nicht so viel wollen. Es ist schon viel, wenn sich das Leute anhören und Gedanken machen über sich selbst, sich wiedererkennen, ertappt fühlen und durch diese Gedanken weiterkommen. Zu denken, dass man mehr erreichen könnte, wäre zu viel.
Du schlüpfst in deinen Songtexten in viele verschiedene Rollen. Aber bei „Ihr habt meinen Segen“ gibt es einen Julian – bist das du?
Sehr wenig. Es war kein reiner Zufall. Ich möchte mich nicht so rausnehmen, ich dachte, das sei ein guter Standardname und ich fand es witzig, dass man wieder denkt, „Wie ist das gemeint, warum nimmt er seinen Namen?“ Ich fand es witzig, für Verwirrung zu sorgen. Aber das bin nicht unbedingt ich. Ich hätte den Song eigentlich für jemanden anderen schreiben sollen und dachte, es wäre witzig, wenn ich mich da selbst reinnehme. Aber der wollte den dann nicht haben.
Was hat sich vom ersten zum zweiten Album verändert?
Es war eine ganz andere Situation, viel mehr Druck und Ängste, mehr „Ergibt das alles einen Sinn?“. Das war keine geile Lage, aber das ist glaube ich normal.
Und musikalisch? Es gibt auf dem zweiten Album mehr Streichmusik. Wie offen bist du für weitere musikalische Veränderungen, können wir mit Synthesizer beim dritten Album rechnen?
Ich wollte schon bei diesem Album ganz viel anders machen ─ ist dann nicht so geworden. Die Songs waren ziemlich schnell in der Entwicklung; da hat sich das durchgesetzt, was ich eigentlich nicht wollte. Ich kann mir grundsätzlich alles vorstellen und irgendwie auch nichts. Das wird sich dann zeigen, denn das dritte Album ist noch nicht in Planung.
Könntest du dir auch vorstellen, mit wem anders Musik zu machen? Wenn ja, mit wem würdest du gerne Musik machen?
Klar kann ich mir das vorstellen. Wir von der Band sind alle super Freunde und eine super Gang und das sind superkrasse Musiker. Aber da sind keine Regeln da, die spielen mit ganz vielen anderen Leuten. Als nächstes Projekt machen wir eine Partyband, Italo-Swing-Sachen, zweimal die Woche von elf bis drei. Wir werden immer eine halbe Stunde spielen und eine halbe Stunde Pause machen. Das wird ganz cool. Da spielen zum Teil auch Leute aus der Band mit.
Wenn ich mir jemanden aussuchen könnte: Lana del Rey fände ich geil, Rosalía, Travis Scott. Ist halt unwahrscheinlich.
Was würdest du gerne machen, wenn du nicht Musiker wärst?
(langes Nachdenken) Einen Kiosk haben und ein eher ruhiges und strukturiertes Leben führen. Das mache ich glaube ich mal: Sachen verkaufen und nett sein zu den Leuten.
Fotos: Theresa Moosmann
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