Trautes Heim, Glück allein – oder etwa geheim?
Ein aktuelles Forschungsprojekt zeigt das Ausmaß der DDR-Bespitzelung in Leipzig: Auf einer digitalen Karte können tausende konspirative Wohnungen und Objekte der Staatssicherheit eingesehen werden.
Hast du dich auch schon einmal gefragt, wer vor dir in deinem Zimmer, deiner Wohnung, oder in deinem Haus gewohnt hat? Dann hast du Glück, denn die Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke hat Anfang Dezember einen digitalen Stadtplan geheimer Objekte des DDR-Geheimdienstes auf ihrer Website veröffentlicht. Und das sind so einige: 1050 bisher unbekannte Orte konnten aufgedeckt und in die Karte eingepflegt werden. Das Projekt wurde von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stiftung „Sächsische Gedenkstätten“ unterstützt. Tobias Hollitzer, Museumsleiter der Gedenkstätte, schließt die Entwicklung einer App für das Projekt nicht aus.
Am 4. Dezember 1989 stürmten Leipziger Bürgeraktivist*innen die Zentrale der Staatssicherheit, die sognannte „Runde Ecke“, um die Zerstörung tausender strenggeheimer Akten zu verhindern. Das Gebäude des uns heute bekannten Museums am Dittrichtring 24 wurde jahrelang genutzt, um das Leben vieler Leipziger*innen zu überwachen und zu bespitzeln. Die Demonstrierenden hatten Erfolg: Insgesamt 15.000 Säcke an Papierfetzen konnten bei der Aktion gerettet werden, die dann Stück für Stück wieder zusammengesetzt wurden. Schnell kam ans Licht, dass neben den offiziellen Dienststellen auch private Wohnungen, Gebäudekomplexe, einzelne Zimmer, Einfamilienhäuser und sogar Garagen und Bungalows konspirativ von inoffiziellen Mitarbeiter*innen des Geheimdienstes genutzt wurden. Viele dieser Quartiere wurden nach der Wende von Bürger*innen gemeldet und entlarvt. Die damals ausfindig gemachten 350 Orte sind seit 1990 in der Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ im Museum in der Runden Ecke zu sehen.
Die meisten konspirativen Wohnungen und Objekte dienten zu DDR-Zeiten als Treffpunkte für inoffizielle Mitarbeiter*innen, manche aber auch als Beobachtungsposten, Übernachtungsquartier oder Maskierungsstützpunkte. Agent*innen und Denunziant*innen trafen dort zum Beispiel Führungspersonen, um die gesammelten Informationen weiterzugeben oder neue Aufgaben zu erhalten. Ein Gewerberaum in der Gottschedstraße 42 wurde zum Beispiel als Arbeitsraum genutzt, eine Wohnung in der Münzgasse als Treffpunkt für inoffizielle Mitarbeiter*innen und Führungsoffizier*innen. Ein konspiratives Objekt namens „Juwel“, in der Paul-Heyse-Straße 8 wurde als Maskierungswerkstadt der Abteilung für Beobachtung, Ermittlung und Observierung genutzt. Offiziell wurde das Haus als „VEB Wärmegerätewerk Dresden, Außenstelle Leipzig“ bezeichnet. Um die Fassade glaubhaft zu machen, wurden die Schaufenster des Gebäudes auch entsprechend dekoriert. Die Stasi-Mitarbeiter*innen in diesem Objekt bekamen sogar Betriebsausweise der Firma – denn der Direktor kannte und unterstützte die Aktion.
Was ein bisschen nach James Bond klingt, sah in der Realität anders aus: In der Regel wurden ganz gewöhnliche Bürger*innen Opfer der Staatsspionage und Bespitzelung. Manchmal waren sie aber auch selbst an der Organisation und Bereitstellung dieser Orte beteiligt. Befanden sich die Unterkünfte in Privatwohnungen, die immerhin über 60 Prozent aller konspirativen Wohnungen ausmachten, wurden die Inhaber*innen zuvor angeworben. Daneben gab es unpersönliche Wohnungen im öffentlichen Raum und konspirative Objekte in der Erscheinung kompletter Wohnungen, Einfamilienhäusern oder Garagen.
Um herauszufinden, ob vielleicht auch dein Haus, der Späti deines Vertrauens oder die Wohnung deiner Oma zu DDR-Zeiten vom Geheimdienst besetzt wurde, kannst du die digitale Karte auf der Homepage der „Runden Ecke“ benutzen.
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