Alle Jahre wieder im Weg
Der Leipziger Weihnachtsmarkt steht in der Kritik. Der weiträumige Markt ist in Teilen nicht barrierefrei. In Zukunft wollen die Beteiligten besser planen.
Der Leipziger Weihnachtsmarkt ist überfüllt. Das wissen alle, die es in diesen Tagen wagen, einen Schritt in die Innenstadt zu setzen. Abgesehen von Unannehmlichkeiten beim vorweihnachtlichen Geschenkekauf wird das Gedrängel besonders für Menschen mit Behinderung zum Problem. Betroffenenverbände und die Linksfraktion kritisieren die Organisator*innen des Weihnachtsmarktes. An zentralen Punkten in der Innenstadt sei die Barrierefreiheit nicht gewährleistet.
Am 4. Dezember veröffentlichte die Fraktion Linksfraktion des Leipziger Stadtrates einen offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sowie eine Pressemitteilung. Etwa ein Dutzend Menschen, sagt der Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann, hätten sich über die Zustände in Teilen des Zentrums beschwert. In der Grimmaischen Straße und in der Petersstraße seien Blindenleitsysteme durch Tische und Buden blockiert oder der vorgeschriebene Abstand von 60 Zentimetern nicht eingehalten worden. In dem Brief forderten sie Jung auf, für die Beseitigung der Hindernisse zu sorgen und sich bei Betroffenenverbänden zu entschuldigen.
Gunter Jähnig ist der Geschäftsführer des Behindertenverbandes Leipzig. Er sieht nicht nur Probleme beim Blindenleitsystem. Auch die Überfahrbrücken für Rollstuhlfahrer*innen und für Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind, seien teilweise zu hoch und im dichten Gedrängel kaum überwindbar. Außerdem gebe es im Innenstadtbereich keine angemessenen Toiletten. Jähnig ist über die Situation schockiert und beklagt auch, dass das Marktamt nicht mit ihm oder dem Verein kommuniziert hat. Nach der Stadtratswahl gab es im zuständigen Amt einen Personalwechsel. „Wir sind seit langer Zeit im Gespräch. In diesem Jahr hat das nicht stattgefunden.“ Das hat gravierende Folgen für die Barrierefreiheit. „Wenn es einfach vergessen worden ist, dann ist das schlimm.“
Durch das Bundesteilhabegesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention soll Barrierefreiheit im öffentlichen Raum eigentlich gewährleistet sein. Einzelne Budenbesitzer*innen können aber nicht polizeilich geahndet werden. „Strafbar ist es nicht, aber rechtswidrig“, sagt Sören Pellmann dazu. Aus diesen Gründen sei ein offener Brief notwendig gewesen. Es gehe um Umdenken, Kommunikation und bessere Planung in der Zukunft. An den Oberbürgermeister ist der Brief adressiert, weil er Chef und Dienstherr der Stadtverwaltung und auch für das Marktamt verantwortlich ist.
Die Kritik ist demnach sowohl an den Oberbürgermeister als auch an das Marktamt gerichtet, das neben dem Weihnachtsmarkt auch für die Wochenmärkte der Stadt zuständig ist. Walter Ebert ist seit der neuen Konstitution des Stadtrates Leiter des Marktamtes. Auf Nachfrage verteidigt er die Pläne zur Weihnachtszeit: „Das Blindenleitsystem darf im Rahmen des Sicherheits- und Planungskonzeptes für den Weihnachtsmarkt mit Ausnahmegenehmigung teilweise überbaut werden. Dies wird entsprechend dokumentiert und kommuniziert.“ Carola Hiersemann, die Beauftragte der Stadt für Menschen mit Behinderung, sei zu allen Planungssitzungen eingeladen und die Pläne ihr vorgelegt worden. Trotzdem erkennt Ebert auch Mängel an. Die versperrten Blindenleitsysteme in der Petersstraße wurden freigeräumt, sagt er.
In Zukunft soll die Kommunikation mit Betroffenen besser funktionieren, betont Pellmann. In diesem Jahr seien durch die Stadtratsbildung solche Punkte nicht im Voraus geklärt worden. Auch in früheren Jahren gab es Probleme, aber die Kommunikation sei insgesamt besser gewesen. „Der Wille ist da, aber die Umsetzung fehlt“, merkt Jähnig dazu an. Der Wille, Menschen mit Behinderung an allen Teilen des sozialen Lebens der Stadt Leipzig teilhaben zu lassen, sei jedoch essentiell. „Das sollte ein Angebot in einer toleranten, weltoffenen Stadt sein.“ Wie im nächsten Jahr die Planung des Weihnachtsmarktes inklusiver ablaufen kann, besprechen derzeit Die Linke und der Oberbürgermeister. Die Stadt hat sich bisher nur durch das Marktamt geäußert und auch in einer Antwort an die Linksfraktion die gleiche wie das zuständige Amt gegeben.
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