Medizinische Versorgung für Rojava
Der Notarzt Michael Wilk berichtete im Dezember über seine Erfahrung mit der Gesundheitsversorgung in Rojava. Er ging auf Probleme ein, die ihm und anderen Ärzten und Hilfsorganisationen begegnen.
Am 13.12.2019 fand unter dem Titel „Medizinische Versorgung und gesellschaftliche Situation in Rojava“ ein Vortrag von Michael Wilk an der Universität Leipzig statt. Wilk, der mit dem Kurdischen Roten Halbmond und anderen Hilfsorganisationen arbeitet, berichtete über seine Tätigkeit im nordsyrischen Gebiet Rojava. Der Kurdische Rote Halbmond ist eine Hilfsorganisation, die während des syrischen Bürgerkriegs entstand.
Der Vortrag widmete sich hauptsächlich den politischen und geopolitischen Problemen in der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien (Rojava), welche die medizinische Versorgung Rojavas erschweren. Der Wiesbadener Notarzt und Psychotherapeut Wilk war seit 2014 mehrfach vor Ort, um die lokale Bevölkerung medizinisch zu versorgen. Nun zeige er seinen Zuschauern Bildern von Verletzten, um zu verdeutlichen, wie es dort aussieht, sagte Wilk.
Wilk begann seinen Vortrag mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, gegen die die Region zu kämpfen habe. Diese wirtschaftlichen Herausforderungen führen dazu, dass Rojava medizinisch nicht genügend versorgt werden könne. Ursachen für diese Schwierigkeiten seien unter anderem geopolitische Hindernisse. Die Türkei setze vom Norden ein Embargo gegen Rojava ein. Die türkische Regierung wolle Rojava durch das Errichten einer Mauer entlang der Grenze um die Region isolieren, so Wilk. Dieses Embargo seitens der Türkei sei dafür verantwortlich, dass keine Hilfsmittel aus dem Ausland nach Rojava fließen. Auch das syrische Regime habe kein Interesse daran, das selbstverwaltete Gebiet zu unterstützen. „Denn das Regime von Baschar al-Assad will alle Regionen Syriens zurückerobern, wenn es mal wieder stabil ist, was früher schwer vorstellbar war“, sagt Wilk. Östlich der Grenze von Rojava ist die Autonome Region Kurdistan, die „angespannte Verhältnisse zu Rojava hat, obwohl Kurden auf beiden Seiten leben.“ Das begründet Wilk damit, dass sich die politischen Systeme beider Regionen enorm voneinander unterscheiden.
Im Publikum war auch ein Mitarbeiter des Kurdischen Roten Halbmonds namens Sherwan. Auf Anfrage von luhze zur Entstehung dieser Organisation und zu seiner Tätigkeit bei ihr, erläuterte Sherwan, dass die Hilfsorganisation bereits 2012 entstanden sei. Er selbst sei seit 2013 dabei. Zur Frage eines Teilnehmers aus dem Publikum beschreibt Sherwan, wie sich das anwesende Publikum von knapp 100 Personen – und Menschen allgemein – engagieren und die Selbstverwaltung von Rojava unterstützen können. Hilfe durchs Senden von Waren wie medizinischer Geräte nach Rojava sei nicht die primäre Option, denn es gebe Schwierigkeiten beim Transportprozess. Finanzielle Unterstützung sei am Einfachsten und am Effektivsten.
In seiner Prognose über die Zukunft Rojavas befürchtet Wilk beunruhigende Szenarien. „Das syrische Regime und die verbündeten Russen werden in nächster Zeit, nachdem sie ihre Gegner in der Provinz Idlib besiegt haben, die nötige Zeit und Kraft haben, sich um Rojava zu kümmern.“ Moskau und Damaskus haben bereits in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach Truppen zu unterschiedlichen Standorten in Rojava geschickt. Dies sei eine Folge der türkischen Militärinvasion. Die von der Türkei unterstützten islamistischen Gruppierungen sollen in den Gebieten, die sie erobert haben, die Zivilbevölkerung misshandelt und Krankenhäuser bombardiert haben, sagt Wilk. Die Regierung von Baschar al-Assad werde diese besondere Gelegenheit ausnutzen, um gegen Rojava vorzugehen. Denn die selbstverwaltete Autonomie von Rojava sei zurzeit so instabil wie nie zuvor, weil dort ein Nato-Staat mithilfe vieler Dschihadisten einmarschiere.
Titelbild: Michael Wilk
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