Sinnkrise mit 25
Kolumnistin Hanna führt zurzeit viele ernste Gespräche über das Erwachsenwerden. Das Phänomen hat einen Namen. Und einen Wikipedia-Eintrag: Die Quarterlife-Crisis.
Der Ernst des Lebens beginnt stufenweise und immer wieder aufs Neue. Als ich eingeschult wurde, hörte ich bereits, dass er jetzt beginnt, dann wieder zu meinem 18. Geburtstag und erneut, als ich mein Abitur machte. Mittlerweile frage ich mich, wann der Ernst des Lebens denn nun endlich beginnt oder ob er einfach zu meinem Leben dazugehört und immer wieder aus seinem Kämmerlein hervorkriecht, wenn eine neue Lebensphase anfängt.
Als ich letztes Jahr 25 wurde, war es wieder so weit. Und irgendwie fühlte sich der Ernst dieses Mal noch viel ernster an als die Male davor. Jeden Monat 100 Euro weniger, um mich selbst zu versichern und kein Kindergeld mehr – darauf konnte ich mich noch vorbereiten. Aber diese Gespräche, diese unzähligen Gespräche über den Ernst des Lebens – die trafen mich unerwartet. Fast in jede Unterhaltung schleichen sich mittlerweile Themen und Fragen ein, die sich um die Zukunft drehen. Will ich langfristig in Leipzig bleiben oder wieder zurück in die Heimat? Was fange ich mit meinem Studium eigentlich an und war es rückblickend das richtige? Gedanken kreisen um Vergangenes und um das, was kommt. Gespräche thematisieren unsere Pläne, Träume und Ängste.
Zu Silvester blickten wir auf das vergangene Jahrzehnt zurück und fragten uns, was wohl in den nächsten zehn Jahren passieren wird. Vielleicht sind wir dann schon Eltern, haben einen richtigen Job und wohnen in einem Haus. Mein Studium neigt sich dem Ende zu, der erste „richtige“ Job wartet. Die letzten Monate meiner Zeit als Studentin fühlen sich so an, als müsste ich sie noch mal so richtig genießen, weil ich später vielleicht mal darauf zurückblicken und sagen werde: „Damals, da war ich noch frei.“ Stattdessen renne ich jeden Tag in die Bib, bin regelmäßig gestresst davon, wie gestresst ich sein werde, wenn die Abgabe meiner Masterarbeit näher rückt und führe Gespräche mit Leuten in meinem Alter darüber, wie gestresst wir alle sind.
Ich habe gegoogelt, es gibt einen Namen für dieses Phänomen: Quarterlife-Crisis. Laut Wikipedia tritt sie zwischen dem 21. und 29. Lebensjahr auf und beschreibt einen „Zustand der Unsicherheit“. Zum Glück gibt es Menschen, die sich einen fancy Namen dafür ausgedacht haben. Das macht alles gleich viel leichter. Irgendwie gehöre ich jetzt zu einer Gruppe. Wir sind die, die nicht wissen, wo es mit ihrem Leben hingeht. Und das ist okay.
Eine Quarterlife-Crisis klingt für mich ein bisschen wie die Pubertät: Nicht besonders angenehm, wenn man drinsteckt, aber wenn man’s überstanden hat, erzählt man lustige Geschichten aus der Zeit.
Wenn mich demnächst also jemand fragt, weshalb ich schlecht gelaunt bin oder wie es mit meiner Masterarbeit läuft, antworte ich einfach nur noch mit: „Ich stecke in der Quarterlife-Crisis.“ Danach wird Ruhe sein, mein Gegenüber wird keine Fragen stellen und mir den Respekt entgegenbringen, der einer 25-Jährigen in dieser schwierigen Phase gebührt. Mit diesem Satz schicke ich den Ernst des Lebens ganz einfach wieder zurück in sein Kämmerlein und warte gespannt darauf, wann er sich wohl das nächste Mal blicken lässt.
Bild: Pixabay
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