„Es ist Zeit für eine ostdeutsche Oberbürgermeisterin“
Am 2. Februar findet die Oberbürgermeister*innenwahl statt. Wir haben allen Kandidierenden die gleichen Fragen gestellt, heute antwortet Franziska Riekewald, die Kandidatin der Linken.
Franziska Riekewald, geboren am 21.08.1980, ist gelernte Kauffrau im Groß- und Außenhandel und Betriebswirtin. Zurzeit ist sie als Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann tätig.
Warum wollen Sie Oberbürgermeisterin werden?
Es ist Zeit für eine ostdeutsche Oberbürgermeisterin, die ihre Kandidatur wirklich ernst meint. Ich werde mit meinen wirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen ein solidarisches Leipzig für alle gestalten. Mit einer Verkehrswende, bezahlbaren Wohnungen und lebenswerter Individualität.
Was ist das Beste an Leipzig? Was mögen Sie an Leipzig nicht?
Ich liebe an Leipzig seine Weltoffenheit. Die Leipzigerinnen und Leipziger machen es vielen einfach, sich hier willkommen und zu Hause zu fühlen. Weniger positiv ist allerdings, dass durch den Boom von Leipzig Verdrängung immer mehr zunimmt.
Was ist Ihre primäre Aufgabe als Oberbürgermeisterin?
Als Oberbürgermeisterin habe ich die Richtlinienkompetenz für die Verwaltung. Zusammen mit dem Stadtrat stellen wir die Weichen für Leipzigs Zukunft. Egal ob es um bezahlbaren Wohnraum, attraktiven Nahverkehr oder gepflegte Parks geht.
Welche Rolle sollen in den nächsten sieben Jahren Studierende in Leipzig spielen?
Studierende nehmen in Leipzig eine wichtige Rolle ein. Das soll auch so bleiben. Sie bringen Leben in die Stadt. Sie sind für mich ein unverzichtbarer Teil der Leipziger Stadtgesellschaft. Daher möchte ich den Universitäts- und Hochschulstandort Leipzig stärken und werde mich gegen den Abbau von Stellen sowie ganzen Fachrichtungen einsetzen.
Was ist das drängendste Problem in Leipzig?
Die hohe Kinderarmut in Leipzig macht mir Sorgen. Obwohl Leipzig in den letzten Jahren wirtschaftlich vorangekommen ist, profitieren nicht alle Bevölkerungsteile Leipzigs davon. Jedes 5. Kind in Leipzig muss in Armut leben. Darum kämpfe ich für eine Kindergrundsicherung und für armutsfeste Löhne der Eltern. Außerdem verlassen über 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Leipzig die Schule ohne Abschluss. Das müssen wir ändern. Wir benötigen in jeder Schule (egal ob Gymnasium, Grund- oder Oberschule) eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter.
Wie wollen Sie dem Klimawandel als Oberbürgermeisterin begegnen?
Ich würde bei allen Entscheidungen, die wir für die Zukunft der Stadt treffen, den Klimawandel mitdenken. Wir müssen weniger Fläche versiegeln. Außerdem benötigen wir die Realisierung einer umfassenden Gründach- und Grünfassadenstrategie. Die städtischen Gebäude müssen mit gutem Beispiel voran gehen. Genauso wichtig ist mir der Schutz wertvoller Biotope, Naturräume und öffentlicher Erholungsbereiche. Hier gilt es auch die Kleingartenanlagen zu fördern. Außerdem werde ich mich für die Beibehaltung und Schaffung von Frischluftschneisen und städtischen Kältekonzepten, um Hitzeperioden besser bewältigen zu können, einsetzen.
Was sind Ihre Pläne für den ÖPNV?
Ich kämpfe für eine Verkehrswende. Diese ist kein Selbstzweck, denn ohne weniger Autoverkehr werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Für mich gehört der Umweltverbund gefördert, das heißt breite Fußwege, sichere Radspuren und bezahlbarer attraktiver ÖPNV. Ich wünsche mir eine verbesserte Taktung der Bahnen und Busse. Gerade in den nicht innerstädtischen Ortsteilen muss eine Verbesserung her. Das in einer Großstadt nur stündlich ein Bus fährt, muss der Vergangenheit angehören. Die LVB benötigen mehr Geld, damit sie in neue Fahrzeuge und neue Strecken investieren können.
Sind Sie für die Einführung eines 365 Euro-Tickets?
Ja, ich halte die Einführung für sehr wichtig. Wir brauchen nicht nur einen attraktiven ÖPNV, sondern auch einen bezahlbaren. Dass die jährliche Preiserhöhung bei den LVB gestoppt ist, dafür habe ich mit meiner Fraktion im Stadtrat gesorgt. Jedoch müssen wir tatsächlich die Preise senken. Dazu gehört für mich, neben dem 365,- € Ticket, auch ein kostenloser Nahverkehr für alle unter 18 Jahren.
Sind Sie für einen zweiten City-Tunnel, der Ost und West verbindet?
Ich denke der Citytunnel ist kein Projekt, welches uns kurzfristig der Verkehrswende näherbringt. Leipzig benötigt schnell eine attraktive Ost-West-Verbindung für die Straßenbahn. Den zeitnahen Ausbau des Schleußiger Weges halte ich für sehr sinnvoll. So könnte schnell ein Nadelöhr im ÖPNV geschlossen werden und nicht erst im Jahr 2040, wie mit einem Tunnel.
Was sollte im Jahr 2040 das primäre Fortbewegungsmittel in Leipzig sein?
2040 haben wir hoffentlich einen guten Mix aus Rad-, Fuß-, und öffentlichen Personennahverkehr auf der Straße. Falls doch mal ein Auto notwendig ist, haben wir moderne, umweltschonende Carsharing-Autos in allen Stadtteilen zur Verfügung.
Woher sollte Leipzig Strom und Fernwärme beziehen?
Das enorme Tempo des Klimawandels duldet keine Verzögerung beim Gegensteuern. Deshalb ist die Erzeugung von Fernwärme aus umweltverträglicheren Energieträgern und die rasche Ablösung des Fernwärmebezugs aus Lippendorf ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft. Ich stehe für die weitere Umsetzung der Klimaanpassungsstrategie sowie die stärkere Nutzung der energetischen Potenziale solartauglicher Dachflächen. Die Stadtwerke müssen den Anteil an erneuerbaren Energien stärker ausbauen. Außerdem möchte ich den Ausbau der Bürger*innenenergie als dezentrale und unabhängige Energiequelle fördern.
Was sind Ihre Pläne, um den steigenden Mieten in Leipzig zu begegnen?
Ich möchte, dass es in jedem Stadtviertel eine gute soziale Durchmischung gibt und sich jeder in jedem Viertel eine Wohnung leisten kann. Dafür benötigen wir 1500 Sozialwohnungen pro Jahr. Als Oberbürgermeisterin werde ich mich für eine kooperative Baulandentwicklung bei allen Bebauungsplänen mit Geschosswohnungsbau mit dem Ziel, sozialen Wohnungsbau in Höhe von mindestens 50 Prozent festzulegen, einsetzen. Ich halte die Einführung von Milieuschutzsatzungen für wichtig, um so Luxussanierungen zu verhindern, auch ein Zweckentfremdungsverbot finde ich sinnvoll.
Welche Aufgabe sollte der LWB in der Entwicklung des Leipziger Wohnungsmarkts zukommen?
Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft ist mit ihren rund 35.000 Wohneinheiten stadtweit das größte Wohnungsunternehmen und damit der wichtigste wohnungspolitische Hebel, über den die Kommune verfügt. Verkaufsabsichten wie in den 2000er Jahren, auch von Teilbeständen, lehne ich kategorisch ab. Ich möchte die LWB weiter stärken und zugleich in die Pflicht nehmen. Die LWB muss ihren Wohnungsbestand auf über 40.000 Wohneinheiten erhöhen, vorrangig in den Stadtbezirken, in denen der Anteil der LWB-Wohnungen unter 5 Prozent liegt. Die Tauglichkeit von 50 Prozent des LWB-Wohnungsbestandes für Kosten der Unterkunft sollte dabei das Ziel sein.
Was werden Sie gegen Wohnungslosigkeit tun?
Ich möchte ein Zwangsräumungsmoratorium für Mieter*innen der LWB, in problematischen Fällen müssen sämtliche Hilfesysteme herangezogen werden, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Eine stabile und sichere Unterkunft ist für mich die Ausgangsbasis zur Lösung aller weiteren Probleme („Housing first“). Das Halten bzw. die Anmietung eigenen Wohnraums müssen im Mittelpunkt stehen. Dazu gehört für mich auch die städtische Übernahme von Mietkautionen/Bürgschaften in den Fällen, wo das Jobcenter nicht handelt. Außerdem bedarf es mehr kommunaler Mittel für den kurzfristigen Ankauf von dringend benötigten Mietpreis- und Belegungsbindungen.
Wie stehen Sie zu der neuen SoKo Linx?
Polizei ist Landessache. Als Oberbürgermeisterin kann man nur an die Landesregierung appellieren. Ich halte die Einrichtung für reine Symbolpolitik, sollte die SoKo Linx genauso erfolgreich sein wie die Soko Rex.
Gibt es eine Stadt, die Leipzig als Vorbild dienen könnte?
Wien macht viel in Bezug auf Wohnungs- und Verkehrspolitik richtig. So setzt Wien maßgeblich auf kommunalen Wohnungsbau. Ich denke, dass wir uns als Leipzig da ein sehr gutes Beispiel nehmen können.
Welche*n Kandidat*in halten Sie – außer sich selbst – für den*die beste*n?
Katharina Subat habe ich auf den Podien als linksdenkend erlebt.
Was ist Ihre größte Stärke gegenüber den anderen Kandidierenden?
Ich war jahrelang in der Wirtschaft tätig und bin seit dem Jahr 2014 im Stadtrat aktiv. Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Mobilität habe ich genügend Einblick, um die wirklichen Probleme in Leipzig zu sehen. Wir benötigen eine Oberbürgermeisterin, die keinen Stadtbezirk und keinen Ortsteil zurücklässt. Weltoffenheit und Toleranz würden mit mir nur dort an klare, unversöhnliche Grenzen stoßen, wo antidemokratische Kräfte die Spaltung der Gesellschaft suchen, rassistische Vorurteile schüren und reaktionären Bestrebungen Vorschub leisten wollen. Ganz nach dem Motto: Mehr Leipzig für alle!
Titelfoto: Lucas Arnold
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