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    „Bombshell“ thematisiert den Sexismus-Skandal um den CEO des Fernsehsenders Fox News, der #MeToo den Weg ebnete. Das hochkarätig besetzte Drama beeindruckt mit Schauspielbrillanz, mit mehr aber nicht.

    Als das Drehbuch zu „Bombshell“ entstand, waren die Enthüllungen um Harvey Weinstein und die #MeToo- und #TimesUp-Bewegungen noch Zukunftsmusik. Doch bereits vor dieser Zäsur in der Film- und Fernsehindustrie erhoben Mitarbeiterinnen des US-amerikanischen TV-Senders Fox News Vorwürfe gegen dessen langjährigen CEO Roger Ailes (John Lithgow). Der inzwischen verstorbene Medienmogul hat in seinen 20 Jahren bei Fox News viele seiner Mitarbeiterinnen sexuell belästigt und seine Machtposition ausgenutzt, um sie zu bedrängen. Als er die Vorwürfe nicht mehr von sich weisen konnte, trat er 2016 zurück.

    Zwei dieser Frauen waren die Nachrichtensprecherinnen Gretchen Carlson und Megyn Kelly, gespielt von Nicole Kidman und Charlize Theron. Oder was von ihnen erkennbar ist, denn das Haar- und Make-up-Team hat in „Bombshell“ verblüffende Arbeit geleistet: Durch Silikonprothesen kommt Theron optisch so nah ran an Kellys Schlupflider, ihre großen Nasenlöcher und ihr spitzes Kinn, dass sie in einigen Szenen kaum wiederzuerkennen ist. Das Maskenteam gewann dafür am Sonntag den Oscar in der Kategorie „Bestes Make-up und Hairstyling“.

    Megyn Kelly steht mit zwei ihrer Kollegen von Fox News siegessicher im Newsroom des TV-Senders.

    Megyn Kelly oder Charlize Theron? Das Haar- und Make-up-Team von „Bombshell“ hat mit Gesichtsprothesen verblüffende Arbeit geleistet und dafür einen Oscar bekommen.

    Margot Robbies karrieregeile Kayla ist die einzige Protagonistin des Films, die nicht auf einer realen Fox-News-Mitarbeiterin basiert. Was aber nicht heißt, dass die Umstände, unter denen sie ihre Arbeitsstelle im Film als junge Redakteurin kennenlernt, fernab der Realität sind. Im Gegenteil: verbale Gewalt, Minikleid-Dresscode, vertraglich festgehaltene Abhörerlaubnis der Redaktionstelefone, durchsichtige Moderationstische, um den Zuschauern möglichst viel Bein zu zeigen… Die Liste der Maßnahmen zur Mitarbeiterinneneinschüchterung ist lang und erschreckend.

    Die ständige Überwachung der Redaktionsmitglieder spitzt Regisseur Jay Roach durch einen kameratechnischen Kniff in denjenigen Szenen zu, in denen die Charaktere Geheimnisse voreinander oder vor der Chef-Etage verbergen – also ständig. Das schnelle Rein- und Rauszoomen in brisanten Dialogen mutet an, als stehe jemand mit einer wackeligen Handkamera in der hintersten Zimmerecke, um alles mit Stasimethoden aufzuzeichnen. Die Kameraführung kann auch als eine Metapher auf die Sensationsgier der US-Medien interpretiert werden, denn wie Roger Ailes im Film so schön über sein Fox-Mantra sagt: „People don’t stop watching when there’s a conflict. They stop watching when there isn’t one.“

    Die fiktive Natur ihrer Figur erlaubt es Robbie, ganz anders an ihre Rolle heranzugehen als Theron und Kidman, die sich durchaus erfolgreich daran zu schaffen machen, ihre realen Vorbilder detailgetreu zu kopieren. Robbies Freiheit jedoch fördert die Entfaltung ihrer schauspielerischen Brillanz. Sie ist so überzeugend als ehrgeizige Fox-Jüngerin und konservative Christfluencerin, dass man jede Person für verrückt erklären würde, die während des Kinobesuchs im Nachbarsessel aufzählen würde, welche Positionen die Schauspielerin Margot Robbie im realen Leben vertritt: Feministin, Greenpeace-Mitglied, Liberale. Zurecht war sie in der Oscar-Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ nominiert, gewonnen hat dann aber Laura Dern für „Marriage Story“.

    Nicole Kidman schmückt die Schlüsselfigur Gretchen Carlson, die mit ihrer mutigen Klage Roger Ailes den Skandal überhaupt ins Rollen brachte, sehr solide aus. Trotzdem geht ihre Performance neben Robbies Nuancenvielfalt und Therons perfekter Charakterstudie unter.

    Die denkwürdigste Szene in „Bombshell“ behandelt einen Stoff, den Hollywood zig Male verfilmt hat: Die junge, attraktive Kayla wird ins Büro des alten, fetten Chefs gebeten. Es geht um ihre Beförderung. Ihre anfängliche naive Euphorie angesichts des winkenden Karrieresprungs wird schnell von vollkommener Ohnmacht ersetzt, als Roger Ailes beginnt, von „Loyalität“ zu schwafeln und sie dazu auffordert, aufzustehen und sich einmal vor ihm zu drehen. Trotz des abgekauten Castingcouch-Narrativs ist diese Szene so unaushaltbar, weil es Realität ist. Mit jedem Zentimeter, den Kayla ihr Minikleid hochschieben soll, um dem Chef ihre Oberschenkel zu präsentieren, versinkt man vor Grauen tiefer im Kinosessel. Dieser Part wurde laut Regisseur Roach nur ein einziges Mal gedreht, um bei Robbie die damit verbundenen Gefühle der Bloßstellung so gering wie möglich zu halten.

    Medienpatriarch Roger Ailes (John Lithgow) in seinem Büro während eines Beförderungsgesprächs mit der aufstrebenden Journalistin Kayla (Margot Robbie).

    John Lithgow spielt Fox-News-CEO Roger Ailes, der genauso gern isst, wie er Frauen objektifiziert.

    „Bombshell“ greift das Thema Sexismus auf, das nun schon so oft künstlerisch reproduziert wurde, dass man meinen sollte, Frauenfeindlichkeit sei endlich Geschichte. Doch dem ist leider nicht so, und das macht diesen Film zu einem wichtigen Pionier der Post-#MeToo-Ära in Hollywood. Es ist kein Film, der sich in dreißig Jahren auf den „Klassiker“-Listen der Kinoliebhaber finden wird, doch auch nicht einer, den man beim Filmabend mit Freunden anmacht, weil man sich auf nix Besseres einigen konnte. „Bombshell“ pendelt sich irgendwo im breiten Spektrum dazwischen ein: ein gewissenhaft recherchiertes und schauspielerisch überzeugendes Biopic mit eher schwacher Dramaturgie.

    Allein die Tatsache, dass sich unter dem Youtube-Trailer Kommentare á la „Margot Robbie seriously looks like she is in her forties, poor thing will not age well“ finden lassen, ist ein bitterer Beweis dafür, wie unabdingbar die stetige Thematisierung von Sexismus und sexueller Gewalt ist.

     

    Ab 13. Februar im Kino

    Fotos: Wild Bunch Germany

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