Klimasünder Netflix
Video-Streaming verursacht im Jahr mehr CO2 als der globale Flugverkehr. Kolumnistin Sophie erklärt die Hintergründe zu diesem kuriosen Fakt und gibt Tipps zur Verbesserung.
Netflix. Was für eine grandiose Erfindung. Stundenlang am Stück Serien schauen, ohne zwischendurch die DVD zu wechseln, eine riesige Auswahl haben, ohne dafür lang in die Videothek oder den Elektromarkt zu fahren und Geld sparen.
Nicht nur Netflix lockt mit einer unendlich großen Auswahl an Filmen, Serien und Dokumentationen. Auch andere Video-on-Demand-Services wie zum Beispiel Amazon Video machen ordentlich Geld mit dem „Verleihen“ von Streams. Doch das Ganze ist nicht so schön, wie es aussieht. Laut einer im Juli 2019 vom Think Tank „The Shift Project“ veröffentlichten Studie verursacht Video-Streaming im Jahr circa 300 Millionen Tonnen CO2. Der weltweite Datentransfer, der zu 80 Prozent aus Videodateien besteht, sogar vier Prozent der globalen CO2-Emissionen. Der globale Flugverkehr dagegen „nur“ zwei Prozent.
Habe ich aufgehört Netflix zu schauen? Nein. Habe ich aufgehört übermäßig viel Sport zu streamen? Auf keinen Fall. Allerdings muss man dazu sagen, dass ich aufgrund meiner häufigen Flugreisen mit denen ich im letzten Jahr zusammengerechnet mehr als eine Tonne CO2 verbraucht habe, wahrscheinlich eh ein verurteilter Klimasünder bin.
Davon mal abgesehen hat mich die Information trotzdem irgendwie stutzig gemacht. Zwar eigentlich, weil ich jetzt endlich eine anständige Erwiderung darauf habe, wenn mich wieder jemand schief anschaut, weil ich nach Hause fliege, anstatt neun Stunden im Zug zu sitzen. Aber auch, weil 300 Millionen Tonnen CO2 einfach echt viel sind.
2016 hat Netflix Deutschland insgesamt 1550 Filme und Serien angeboten. Diese Datenmenge wird auf Servern gespeichert, von denen der Nutzer die Dateien dann streamen kann. Netflix selbst hat keine eigenen Server, sondern wird komplett von Amazon Web Services gehostet. Wie viele Server genau genutzt werden, ist daher nicht ersichtlich, es müssen aber sehr viele sein. Diese Server werden, wie jedes andere elektronische Gerät auch, mit Strom betrieben, der, auch wenn das natürlich schön wäre, nicht zu 100 Prozent aus Ökostrom besteht. Aber das ist noch nicht alles. Da die 171,77 Millionen Nutzer (Stand 4. Quartal 2019) vielleicht nicht alle genau gleichzeitig, aber doch viel auf einmal streamen, kommt es schon mal vor, dass die Server heiß laufen. Sie müssen also gekühlt werden. Das passiert momentan noch mit der eher ineffizienten Luftkühlung, und beansprucht etwa ein Drittel des durch Streaming verursachten CO2 Ausstoßes. Also fallen circa 100 Millionen Tonnen CO2 alleine auf die Kühlung der Server.
Man könnte von der wesentlich effizienteren Wasserkühlung Gebrauch machen, allerdings wird diese momentan nur in Testanlagen von Universitätsrechenzentren genutzt. Bis man die Kühlung komplett umgestellt hat, dauert es also wahrscheinlich noch ein paar Jahre.
Wie man ansonsten mit dem Klimasünder Streaming umgehen kann, ist relativ simpel: einfach weniger Filme und Serien schauen. Natürlich können auch die großen Video-on-Demand-Services etwas ändern, indem sie zum Beispiel die Autoplay-Funktion oder integrierte Videos abschaffen. Aber die Hauptaufgabe liegt hier wie so oft beim Nutzer. Einerseits kann man, wie schon gesagt, weniger Netflix und co schauen, es bringt aber auch schon etwas, wenn man einfach nur die Qualität der Videos minimiert. Niemand muss Game of Thrones in 4K-Auflösung streamen. So genau will man doch gar nicht sehen, was da passiert.
Um wenigstens einen kleinen Beitrag fürs Klima zu leisten, fliege ich jetzt immer mit Buch im Handgepäck, anstatt am Flughafen Netflix zu schauen. Im Zug zu sitzen und zu streamen ist wahrscheinlich trotzdem umweltfreundlicher, aber die Fahrt ist mir einfach zu lang und das WLAN im ICE viel zu schlecht.
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