Zum Internationalen Frauentag
Kolumnist Martin geht der Frage nach, wie der Frauentag 99 Jahre alt werden konnte, aber immer noch nicht veraltet ist.
Eine Mehrheit in Deutschland befürwortet, dass der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag sein soll. Dazu gehöre im Übrigen auch ich. Bereits in 27 Staaten (und hierzulande zumindest in Berlin) ist dies Realität. Es geht dabei nicht nur um den angenehmen Aspekt, einen Arbeitstag weniger im Kalender zu haben. Vordergründiger soll das Bewusstsein über vergangene Kämpfe und Erfolge durch und für Frauen sowie aktuelle, immer noch ungelöste Probleme geschärft werden. Und als Mann werde ich das Gefühl nicht los, meinen Teil dazu beitragen zu müssen..
Historisch betrachtet hat dieser Tag einen interessanten Hintergrund. Am 20. Februar 1909 wurde er erstmals begangen. Dem voraus ging ein zweimonatiger und erfolgreicher Streik von 20.000 Textilarbeiterinnen in New York City. Der „offizielle“ internationale Frauentag fand am 19 März 1911 erstmals auch in Deutschland statt. Mehr als eine Million Frauen gingen in mehreren Ländern auf die Straße, um zum Beispiel ihr Wahlrecht zu fordern. Am 8. März 1917 demonstrierten Frauen anlässlich des Frauentages in Petrograd (heute St. Petersburg). Wieder begann eine Streikwelle in den Textilfabriken. Nur vier Tage später mündete diese in die Februarrevolution – die unter anderem den Zaren vom Thron jagte. Aber erst 1922 wurde der Frauentag endgültig auf den 8. März festgelegt und in mehreren Ländern gefeiert. Dies war die Verwirklichung eines Vorschlages der II. Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau.
Mich bewegt es sehr, wenn ich daran denke, wie viel Mühen es gekostet hat, jeden kleinen Fortschritt zu erkämpfen. Was interessiert uns das nun heute, immerhin 99 Jahre später? Ist es denn nicht so, dass so manche Forderung bereits erfüllt ist, beispielsweise was das Frauenwahlrecht betrifft? Und wird nicht die Hausarbeit durch elektrische Geräte immer weniger anstrengend? (Als ob das ein Grund wäre, die Hausarbeit den Frauen zuzuschanzen, aber das nur nebenbei) Schon eine kleine Aufzählung macht deutlich, wie viele Forderungen leider immer noch aktuell sind:
Ein Mann wendet am Tag 1,8 Stunden unbezahlte Arbeit in Haushalt und Erziehung auf. Eine Frau 4,4 Stunden.
Frauen verdienen brutto 21 Prozent weniger als Männer.
Nur jeder zehnte Vater arbeitet in Teilzeit, aber drei Viertel aller Mütter.
In der EU hat ein Drittel der Frauen ab 15 Jahren bereits Gewalt erlitten, 55 Prozent sexuelle Belästigung.
44 Prozent der Europäer meinen, dass Frauen sich um Haushalt und Erziehung kümmern sollen.
Frauen erhalten ein Drittel weniger Rente als Männer.
Selbst die vergleichsweise bescheidenen Verbesserungen, die die unterschiedlichen Frauenbewegungen erzielten, sind bedroht. Notorische Sexisten wie die Präsidenten Donald Trump und Jair Bolsonaro aus Brasilien sind gefährliche, einflussreiche und geldschwere Sprachrohre rückwärtsgewandter Bewegungen und Anschauungen. Dazu zählen Erscheinungen wie die „Männerrechtsbewegung“, ein gruseliges Sammelsurium aus Antifeministen, Abtreibungsgegnern und Evangelikalen.
Das World Economic Forum konstatierte 2019: „Wenn sich die Beteiligung von Frauen an Macht und Wohlstand in der Wirtschaft im gleichen Tempo verbessert wie im vergangenen Jahr, wird es noch 257 Jahre dauern, bis Männer und Frauen gleichberechtigt sind.“ Und das fasst ganz gut zusammen, warum der Internationale Frauentag nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Ich will nicht akzeptieren, dass diese Zustände noch so lange anhalten sollen. Es ist unlogisch, dass Menschen aufgrund von Geschlecht oder Herkunft auf irgendeine Weise Nachteile erfahren müssen. Hier geht es ums Prinzip.
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