Wenn Kolumnen töten könnten
Sexuelle Belästigung gegenüber Frauen kann in allen Formen und Farben daherkommen. Wie auch beim Mobbing sind es die zufälligen, subtilen Mechanismen, die machtlos machen, findet Kolumnistin Theresa.
Als mir einmal ein fremder Mann an die Brust fasste, konnte ich zuschlagen. Jetzt sitze ich im IC zwischen Hannover und Leipzig, und ich weiß, ich werde angeschaut. Ich denke nach, was ich anhabe. Ich versuche, mich nicht dafür schuldig zu fühlen. Bis eben hatte ich mich auf das Heimkommen gefreut, nun treibt mich nur noch eines um: Wut. Gedanken mögen frei sein, Blicke sind es nicht. Wenn ein Mann auf meine Beine starrt, ist das Belästigung. Punkt.
Zurück zu starren ist immer mein erster Versuch, einen Blick zum Aufgeben zu bringen. Manchen reicht das, damit es unangenehm wird. Ihm nicht. Ich starre ihm mehrfach in die Augen, sein Blick bleibt, ausdruckslos, beharrlich. Ich wende mich wieder meinem Buch zu, mein Herz rast. Ich will etwas sagen. Auch das habe ich in der Vergangenheit schon getan. „Ist was?“ Einmal sagte ein Mann „Nein, wieso?“ und starrte weiter.
In meinen Gedanken verprügele ich oft Sexisten. In der Welt fühle ich mich ihnen ausgeliefert. Egal was ich mache, es ist immer Verteidigung, immer eine Reaktion, ich bin immer die zweite Handelnde. Ich will mich in der Öffentlichkeit sicher fühlen und nicht überall Belästigung lauern sehen, ich will schlichtweg meine Ruhe und meinen Raum. Und deshalb sitze ich nun, einige Minuten später, in einer anderen Sitzreihe. Vor seinem Blick geschützt. Und hacke wütend diese Worte in meinen Computer.
Es gibt Weniges, das so sehr verunsichert, so wenig Angriffsfläche bietet, wie ein Blick. Einem Wort kann ich widersprechen, gegen einen Griff kann ich anschreien. Jetzt bleibe ich stumm, denn es ist doch nichts passiert. Es liegen doch mehrere Armlängen zwischen uns. Das war schon oft so, zum Beispiel auch damals, als der Mann am Baggersee masturbierte, während seine Augen auf uns ruhten. Hier gibt es keinen evolutionären Fight-or-Flight-Modus für mich, hier gibt es nur blinde Wut. Alles fühlt sich falsch und nichts richtig an. Weil es mich verletzt und schwächt. Weil es meine menschliche Würde antastet. Wenn sich Männer fragen sollten, womit sie Sexismus vermeiden können, dann will ich sie hiermit auffordern, bewusster zu schauen: In euren Blicken liegt das Machtgefälle dieser Gesellschaft.
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