Immergut: Prinzessin Mononoke
Wir verraten euch wöchentlich die besten Medien, um den Quarantäneblues zu vertreiben. Wie wäre es heute mit der Kirsche auf der Sahnetorte, die aus Studio Ghibli-Filmen besteht: Prinzessin Mononoke.
Wenn ich früher ins Bett gesteckt wurde und nicht einschlafen konnte, suchte ich in den Buckeln meiner Raufasertapete Muster und Gesichter. Meist entdeckte ich Wildschweinfratzen und gruselte mich genüsslich, denn das Unheimlichste für mich waren damals Wildschweine. Schuld daran ist Hayao Miyazaki, ein japanischer Regisseur und der Kopf der Ghibli-Studios. Sein 1997 erschienener Zeichentrickfilm „Prinzessin Mononoke“ hebt sämtliche Vorurteile aus den Angeln, die in westlichen Zeichentrickerwartungen gegenüber Anime stecken könnten. Allein künstlerisch kann man diesen Film ein Meisterwerk nennen. Die Animationen sind fantastisch, die Detailverliebtheit atemberaubend. Und so sehr mich dieser Film schon als Kind durch seine fantastischen Kreaturen und beeindruckenden Bilder begeisterte – die Geschichte ist keineswegs die eines Kinderfilms und die Botschaft dahinter komplex.
Der Film spielt in einer mystischen Vergangenheit. Der junge Ashitaka beschützt sein Dorf vor einem monströsen Keiler und wird im Kampf am Arm verletzt. Von einer weisen alten Frau erfährt er, das ist sein Todesurteil. Denn der Keiler war einst ein Wildschweingott, der von Zorn und Schmerz zur dämonischen Raserei getrieben wurde. Mit der ihm verbliebene Zeit macht sich Ashitaka auf die Suche herauszufinden, was den Gott verfluchte – und stolpert in einen Krieg am Rande eines Waldes.
Im Wald leben Naturgötter in Gestalt baumgroßer Wildschweine und Wölfe, winzige Baumgeister, bäumepflanzende Affen und das Wolfsmädchen San im Einklang mit der Natur. Vor dem Wald haben Menschen eine Eisenhütte errichtet, von der aus sie den Wald langsam roden und Erze abbauen. Gleichzeitig sprudelt in dieser Stadt die Menschlichkeit. Sie bietet Aussätzigen eine Zukunft und Freiheit. Unfähig, nebeneinander zu leben, stürzen beide Seiten aufeinander und versuchen, sich gegenseitig die Luft zu nehmen.
Dieser Konflikt zwischen Mensch und Natur ist das herausragende Thema des Films. Doch das klassische Schema zwischen Gut und Böse bleibt fern, denn die Charaktere beider Fronten sind ungemein differenziert dargestellt und verfolgen ihre eigenen nachvollziehbaren Interessen und Motive. Anstatt zu vereinfachen, zeichnet der Film meisterlich, wie Hass und Egoismus verändern kann und jegliche Harmonie zerstört.
Trotz der Schwere der Geschichte durchwebt Miyazaki den Film mit dem unverwechselbaren Gefühl, das alle Ghibli-Filme umgibt: eine magische und unendlich wohltuende Atmosphäre. Da scheint es beinahe wie ein Wink des Waldgottes, dass nun rechtzeitig zur Quarantäne alle Ghibli-Werke auf Netflix zu sehen sind.
Titelgrafik: Lisa Bullerdiek
Cover & Bildschirmfotos: Wild Bunch Germany GmbH
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.