Ein hartes Album für harte Zeiten
Heaven Shall Burn haben ihr neues Album „Of Truth and Sacrifice“ veröffentlicht. Es ist in Zeiten wie diesen genau das Album, das ihr jetzt braucht, findet luhze-Redakteur Dennis.
Klimawandel, gesellschaftliche Spaltung oder eine humanitäre Krise am Rande von Europa – die Zeiten, in denen wir jetzt gerade leben, können einen schon ziemlich runterziehen. Von der gegenwärtigen Corona-Pandemie mal ganz zu schweigen. Doch zumindest letztere bietet euch die Möglichkeit, euch das neue Album der deutschen Metalcore-Pioniere Heaven Shall Burn (HSB) ausgiebig zu Gemüte zu führen. Denn im Gegensatz zu der Fülle an Wohlfühlschlager, der die Streams und Charts überschwemmt, ist HSB eine hochpolitische Band, die sich mit den Konfliktherden unserer Zeit auseinandersetzt. So auch auf der neuen Platte „Of Truth and Sacrifice“, die seit vergangener Woche erhältlich ist.
Wenn man an die Musikszene von Thüringen denkt, fällt einem vermutlich zuerst der Typ mit dem Thüringer-Klöße Song ein, oder extremer Metal. Letzterer wird von keiner anderen Band mehr repräsentiert als von HSB. Die fünf Saalfelder gehören zur Speerspitze der Szene und spielen Shows weltweit, zumindest wenn nicht gerade Corona-Pandemie ist.
Dem gecasteten Prekariatsunterhalter und Dieter Bohlen-Sidekick Pietro Lombardi war die Band, beziehungsweise die Thüringer Metalszene allerdings kein Begriff. In einer Instagramstory bezeichnete er die Band als „Rocker aus dem Nichts“, während er seine Konsumenten zum Kauf seiner Platte animierte, die mit „Of Truth and Secrifice“ um Platz eins der Charts rang. In der Metal-Szene sorgte dies für Beef und massiven Spott. Gitarrist Maik Weichert kommentierte: „Wer Wind säht, wird Sturm ernten.“
Stichwort Sturm, da sind wir auch schon beim recht einfachen Erfolgskonzept der Band: brachialer Sound, einfache Komposition und eine starke politische Botschaft. Eben ein Sturm, der die Hörerschaft auf den Boden der Tatsachen holt, und die wutgeladene Stimme des Vokalisten Marcus Bischoff, die eindringlich vermittelt, wie beschissen die Welt da draußen ist.
Und wie klingt das neue Werk nun? Die Antwort ist einfach: wie immer. Schon seit Anfang der 2010er ist von der ursprünglichen aggressiven und temporeichen Spielart des Metalcore nicht mehr viel über, einige Szenegrößen machen mittlerweile Elektropop (Bring me the Horizon) oder haben sich in einen massentauglicheren oder progressiveren Sound verloren (Parkway Drive). HSB nicht. Hier ist immer noch 2006 und das ist auch gut so. Stabiler Metalcore mit starken Melodic-Death-Metal Elementen, der sich zwischen treibenden Riffs und melodischen Passagen bewegt.
Man merkt direkt: Diese Band ist nicht auf den Mainstream angewiesen, auch weil die Mitglieder noch ihren regulären Jobs als Jurist, Lehrer oder Krankenpfleger nachgehen.
Trotzdem ist die Platte etwas experimenteller geworden, was sich aber auf 17 Songs und zwei CDs verteilt und daher den konservativen Fan nicht verschreckt. Neben den üblichen Gewaltmärschen wie zum Beispiel „Thoughts and Prayers“, „Eradicate“, oder „What war means“, haben es auch neue Klänge in Portfolio geschafft, wobei auch mal cleaner Sprechgesang oder ein Orchester vorkommen.
Inhaltlich geht es ebenfalls um Altbekanntes. Der geneigte Fan würde HSB dabei als „Enviromentalcore“ bezeichnen, denn das Engagement für Klima- und Umweltschutz ist ein Kernthema der Platte. Anders lässt sich der Song gewordene TED-Talk Weakness Leaving my Heart nicht erklären, in dessen Video der Sänger bedeutungsschwanger einem Mädchen begegnet, nachdem er durch Plasteflaschen-Berge gewatet ist. Oder der Song My Heart and the Ocean als Support-Hymne für Sea Shepherd (einer Tierrechtsorganisation zur See), der meiner Meinung nach der stärkste der Platte ist. Aber wie der Albumtitel suggeriert, geht es auch um den zeitgeistlichen Kampf um die Wahrheit, um Fake News oder um die Flüchtlingskrise.
Die Platte ist daher thematisch hochrelevant und man hat nicht das Gefühl, irgendeine kommerzorientierte Band zu hören. Hier bekommt die Hörerschaft die Message direkt ins Gesicht serviert. Und das Beste daran ist, dass man nicht nur ohnmächtiger Beobachter der Situation ist, sondern mittendrin in einem Manifest der Wut und des geballten Zorns, das all dem Elend mit Wehrhaftigkeit begegnet. Von Resignation keine Spur, getreu dem Punk-Motto: Wir schreien das Problem so lange an, bis es weggeht. Platz Eins in den Charts ist daher mehr als verdient.
Release: 20. März 2020
Preis: 23 Euro (mit DVD „Mein Grünes Herz in dunklen Zeiten“)
Titelfoto: Century Media
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.