Leipzig, die Klimakrise und der Masterplan Grün
Im Masterplan Grün soll die Entwicklung der grün-blauen Infrastruktur Leipzigs, zumindest bis 2030, skizziert werden. Aber was genau ist das und wieso brauchen wir ihn?
Messestadt, Boomtown oder Hypezig. Leipzig hatte bereits viele Titel, die allesamt das Wachstum der Stadt beschreiben. Aber dieses Wachstum ist janusköpfig: Es zeugt von der hohen Lebensqualität in Leipzig und stößt eine bedenkliche Entwicklung an. Verfügbarer Wohnraum und freies Bauland schrumpfen. In Folge dessen stellt sich bei jeder noch vorhandenen Brache die Frage: Schafft man lieber Wohnraum oder begrünt man ein Stückchen Land mitten in der Stadt? Ein zweites Phänomen hat sich in den letzten Jahren mit Vehemenz in die Mitte des gesellschaftlichen Diskurses gedrängt. Die Klimakrise sorgt für immer heißere Sommer, für zunehmenden Starkregen und stellt dadurch eine Großstadt vor ganz neue Probleme. Leipzig muss beiden Entwicklungen Rechnung tragen. Ein Ansatz ist der Masterplan Grün.
Inhalt des Masterplan Grün ist die Zukunft der grün-blauen Infrastruktur Leipzigs. Diese umfasst alle natürlichen Flächen einer Stadt: die grünen Oasen in der Asphaltwüste. Zum Beispiel sämtliche 56.737 Straßenbäume Leipzigs oder die Parks, Seen, Kanäle und Flüsse. All dieses Grün und Blau übernimmt in einer Großstadt diverse Aufgaben. Straßenbäume spenden den Flanierenden Schatten. Seen bieten nach einem langen und warmen Tag in der Bibliothek eine Gelegenheit zur Erfrischung und Erholung. Konkret gesagt: Sie regulieren das städtische Klima. Was trivial klingen mag, ist von zunehmender und fundamentaler Bedeutung für die Bewohner*innen einer Großstadt: Die drei heißesten Sommer, die je gemessen wurden, lagen innerhalb der letzten 20 Jahre. Verstärkend tritt hinzu, dass es in einer Großstadt stets einige Grade wärmer ist als im Umland. Denn Städte fungieren durch ihre Häuserblocks und Straßen im Endeffekt als dreidimensionale Akkus, die Hitze vortrefflich speichern.
Die grün-blaue Infrastruktur ist immens wichtig, damit Leipzig nicht irgendwann überhitzt und lebenswert bleibt. Deswegen wirft das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport in einer mittlerweile durch den Stadtrat beschlossenen Vorlage fünf Fragen auf, die der Masterplan Grün beantworten soll.
Wie passt sich Leipzig an den Klimawandel an? Wie sind in Leipzig gesundheitsfördernde Umwelt- und Lebensverhältnisse zu schaffen? Wie erhalten wir die biologische Vielfalt in Leipzigs Grünanlagen? Wie werden wir in der Zukunft umweltgerecht mobil sein? Und wie schafft man Umweltgerechtigkeit? Hierbei bedarf der Begriff Umweltgerechtigkeit wohl eine kleine Erläuterung. Umweltbelastungen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Gesundheit verteilen sich in Deutschland ungleich, abhängig vom sozialen Status des Betroffenen. Menschen mit niedrigerem sozialem Status, das heißt in der Regel, Menschen mit niedrigem Einkommen sind in der Regel stärkeren Belastungen durch die Umwelt ausgesetzt als Menschen mit höherem sozialem Status.
Der Masterplan Grün sieht drei Schritte zur Beantwortung dieser Frage vor.
Zunächst sollen die Freiräume, die als grün-blaue Infrastruktur eine große Bedeutung für die Stadt haben, identifiziert werden.
Darauffolgend soll für die als relevant eingestuften Freiräume ein Handlungs- und Maßnahmenprogramm erarbeitet werden.
Drittens entwickelt die Stadt eine Methodik, mit der in Zukunft einzelne Flächen hinsichtlich ihrer Relevanz für die fünf Leitfragen bewertet werden können. Um es zu simplifizieren: Im Endeffekt gibt die Stadt zukünftigen Verwaltungsbeamten eine Anleitung in die Hand.
Dieses abstrakte Vorgehen lässt sich besser verstehen, wenn man beispielsweise konkret fragt, ob die Leipziger auf neue Parkanlagen hoffen dürfen. Die Pressestelle der Stadt Leipzig antwortet sinngemäß „es kommt darauf an“. Der Masterplan Grün wird aufzeigen, wo die Stadt kleine Parkanlagen für notwendig erachtet, um die fünf Zielangaben zu erreichen. Anschließend prüft die Stadt, ob sie über diese Freifläche verfügen kann. Problem könnte zum Beispiel sein, dass die Stadt nicht Eigentümerin der Freifläche ist. In solchen Fällen ist, laut der Pressestelle der Stadt, selbst der Erwerb einer brachliegenden Freifläche, auf der an sich ein Baurecht besteht, ein denkbares Instrument. Zuletzt entscheidet die Stadt konkret, welche Begrünung angelegt beziehungsweise erhalten werden soll. Grundsätzliche Zustimmung erhält das Vorhaben der Stadt vom Nabu Regionalverband Leipzig. Dieser fordert in einem Positionspapier den Erhalt naturschutzfachlicher wertvoller Brachen.
Die drei Schritte des Masterplan Grüns sollen Leipzig auch vor einer Überhitzung in Folge der Klimakrise schützen. Hierfür sollen Daten zum Stadtklima und entsprechende Modellierungen dem Masterplan Grün zugrunde gelegt werden. Er zeigt dann die Risikobereiche auf, in denen es im Sommer zu einer Überhitzung kommt. Diese lokalen Extremwerte sollen dann städtebaulich abgemildert werden. Das heißt, es sollen gezielt Grünstrukturen und Gewässer angelegt werden, die durch Verschattung und Verdunstung das Mikroklima regulieren. Hierbei ist interessant, dass die Stadt vermehrt auf zwei, in Leipzig bislang nur rudimentär eingesetzte Techniken vertraut: Dach- und Fassadenbegrünungen und die Rückhaltung von Regenwasser sollen, laut der Stadt, eine tragende Rolle spielen.
All das ist bislang aber noch Zukunftsmusik. Am Masterplan Grün wird derzeit noch unter Federführung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer gearbeitet. Die Stadt zeigt sich auf Anfrage zuversichtlich, ihn bis Ende dieses Jahrs zu vervollständigen. Anschließend muss der Stadtrat über ihn abstimmen.
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