Präventive Kulturpolitik
Nicht erst durch Covid-19 wird die Situation für viele Kulturbetriebe schwieriger. Schon durch die Mittelkürzungen des letzten Jahres stehen viele Projekte vor dem Aus.
2019 führte die Stadt Leipzig die Bürgerumfrage „Freizeit, Kultur und Lebensgefühl in Leipzig“ durch. Darin sollte unter anderem die Größe des städtischen Kulturetats bewertet werden, 2017 waren das 160 Millionen Euro, ein Anteil von neun Prozent. Für drei Prozent der Befragten war der Betrag zu hoch, 52 Prozent bewerten ihn als zu niedrig. Für 90 Prozent ist Kultur eine wichtige kommunale Aufgabe, knapp jede*r siebte vermisst noch das ein oder andere Angebot. Denn trotz großer Ausgabensteigerungen und geplanten Zuwächsen betragen die Ausgaben pro Einwohner*in knapp 300 Euro im Jahr. Und so verlängert sich die Liste von Angeboten, Vereinen und Institutionen, die unter ständigen Existenzbedrohungen leiden oder geschlossen und aufgelöst werden müssen. Allein seit 2014 wurden mindestens 67 Locations geschlossen, darunter solche wie Zum Arabischen Coffe Baum, 4rooms oder Café Waldi.
Auch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wird auf 107,8 Millionen Euro gekürzt, das wären ganze acht Millionen weniger. Betroffen ist davon zum Beispiel Exit, ein Verein, der seit Jahren Menschen beim Ausstieg aus der rechten Szene unterstützt. Laut Bernd Wagner, Geschäftsführer von Exit, hilft die Organisation „Menschen, die aus extremistischen, oft militanten Gruppen aussteigen wollen, den Schritt in die Freiheit umzusetzen und sich ein neues Leben zu erarbeiten.“ Auch Opferhilfe und -beratung gehören dazu. So werden zum Beispiel von fünf Programmjahren eines Projekts zur „Entradikalisierung“ werden laut Wagner „voraussichtlich nur drei Jahre anteilig gefördert.“
Allein in Sachsen sind zwölf der 18 von „Demokratie leben!“ geförderten Projekte betroffen. Auch deswegen fordert ein bundesweites Bündnis aus über 120 Organisationen, nicht nur die Kürzungen zurückzunehmen, sondern den Betrag auf 200 Millionen Euro aufzustocken. In einem offenen Brief heißt es: „Sie sollten denjenigen Projekten und Aktivitäten zugutekommen, die auf derzeitige und auf künftige Probleme Antworten finden.“ Dazu werden unter anderem „Engagement im ländlichen Raum, Sexismus, Neue Rechte, Hass im Netz, Ausstiegsarbeit, Konfliktbearbeitung, Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen, Abwertung erwerbsloser Menschen“ aufgezählt. Für das Netzwerk für Demokratie und Courage erklärt Nina Gbur, dass ein Projekt beendet wurde, weil es nicht weiter gefördert wurde. Die derzeitige Situation um Covid-19 verschärft die Probleme durch die Kürzungen. „Welche Probleme da auf uns zukommen, hängt von den Detailregelungen verschiedener Fördermittelgebenden, deren Kulanz und der Förderpolitik der nächsten Monate und Jahre ab“, fügte sie hinzu.
Und hier beginnt der Teufelskreis. Solche Organisationen tragen viel dazu bei, den radikal Rechten, die um „Straßen, Köpfe und Parlamente“ kämpfen, mit Argumenten und Aktionen etwas entgegenzusetzen. Müssen diese ihre Arbeit einstellen, macht sich das unterm Strich unter anderem durch wachsende Wahlergebnisse für die Alternative für Deutschland (AfD) bemerkbar. Jedes Mandat, das diese gewinnt, verschlimmert wiederum die Situation der Kulturbetriebe und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat warnte bereits 2016, dass das Wahlprogramm der AfD eine „Kampfansage an den Kulturbereich“ darstelle. Sie ist somit selbst die größte Gefahr für die von ihr so gerne beschworene sogenannte „abendländische“ Kultur.
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