Studierende in Geldnot
Trotz Corona findet das Sommersemester 2020 statt, doch die derzeitigen Umstände stellen viele Studierende vor große Herausforderungen und verändern die Arbeitsweise der Hochschulorgane und -gremien.
Das Sommersemester 2020 ist außergewöhnlich. Vorlesungen und Seminare finden digital statt. Ein Zustand, der in den allermeisten Fällen das Sommersemester über anhalten wird. Die Beschränkungen im Alltag sowie im Hochschulbetrieb und die daraus resultierenden psychischen und finanziellen Belastungen, sowie die Nachteile für das Studium, treffen Studierende in unterschiedlichem Ausmaß.
Bei manchen lässt der Inhalt des Studiums keine Lehre aus der Ferne zu. Man denke zum Beispiel an Chemiestudierende, die ihre Praktika im Labor absolvieren müssen. Stärkeren Belastungen sind auch Studierende mit Kindern ausgesetzt, die diese nun zuhause betreuen müssen. Hinzu kommt, dass viele Studierende einen Nebenjob in Bereichen wie der Gastronomie haben. Diesen verlieren die meisten nun. Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks gehen 68 Prozent aller Studierenden einem Nebenjob nach. 59 Prozent der erwerbstätigen Studierenden geben an, dass ihr Nebenjob wichtig für den Lebensunterhalt ist. Außerdem steigt die Anzahl der Studierenden, die nicht mehr ausreichend von ihren Eltern unterstützt werden können. Alleine bis zum 26. April hatten Betriebe Kurzarbeit für 10,1 Millionen Personen beantragt. Diese erhalten in der Regel 60 Prozent ihres Nettoentgeltes.
Um die finanzielle Situation der Studierenden zu verbessern, hat das Bundeskabinett eine Änderung des Bafög beschlossen. Einkünfte, die Studierende erzielen, weil sie in systemrelevanten Branchen wie der Medizin oder Landwirtschaft arbeiten, führen nicht dazu, dass ihr Bafög gekürzt wird. Der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow begrüßte diese Entscheidung und bezeichnete sie als „wichtig und richtig“. Kritiker, wie der Studierendenrat der Universität Leipzig, die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften und der freie Zusammenschluss von Studierendenschaften (fzs) begrüßen den Beschluss des Bundeskabinetts zwar als Schritt in die richtige Richtung. Er sei aber noch zu klein. Die Kritik entzündet sich daran, dass die implementierte Regelung nur einem sehr kleinen Anteil der 2,8 Millionen Studierenden in Deutschland zu Gute kommt. Lediglich 12 Prozent der Studierenden erhalten überhaupt Bafög. Von diesen können, wie Jacob Bühler, Vorstandsmitglied des fzs, betont, nur ein Bruchteil in systemrelevanten Branchen arbeiten und von der Regelung profitieren.
Außerdem ist fraglich, ob sächsische Studierende auf zusätzliche Hilfe von Seiten des Freistaates hoffen können. Zwar haben mit Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg und Berlin bereits vier Bundesländer eigene Notfallfonds für Studierende eingerichtet, doch kann das sächsische Wissenschaftsministerium auf Anfrage noch keine Auskunft über einen landeseigenen Notfallfond geben.
Ende April hat Bundesbildungsministerin Karliczek sich mit ihrer Idee durchgesetzt, den Studierenden kurzfristige Überbrückungskredite zu gewähren. Studierende sollen ab dem 8. Mai 2020 zinslose Darlehen beantragen können. Maximal 650 Euro soll es monatlich pro Antragssteller bis März 2021 geben. Umgesetzt wird das Vorhaben Karliczeks von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Zusätzlich will der Bund circa 100 Millionen in die Notfallfonds der Studierendenwerke einzahlen. Diese stehen Studierenden zur Verfügung, die nachweisen können, dass sie auf Hilfe angewiesen sind und für deren Probleme keine andere Lösung bestehen. Mit diesem Vorhaben hat sich Karliczek auch gegen den eigenen Koalitionspartner durchgesetzt. Die SPD hatte gemeinsam mit allen Oppositionsparteien mit Ausnahme der AfD auf eine Öffnung des Bafögs gedrängt. Dieses sollte, so der Plan, allen Studierenden zur Verfügung stehen, die ihren Nebenjob verloren haben oder deren Eltern in Folge von Jobverlust und Kurzarbeit nicht mehr in der Lage sind, ausreichende Unterhaltszahlungen zu leisten. Karliczek hatte diesen Vorschlag mit der Begründung abgelehnt, dass er ein „langfristiges Gesetzgebungsverfahren“ voraussetze.
Die unter den Studierenden herrschende Verunsicherung zeigt sich am Erfolg diverser Petitionen, die unter anderem Soforthilfen für Studierende vom Bund, und unter anderem das „Kann-Semester“ fordern. Demnach soll das Sommersemester 2020 nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet und Lehrangebote nur freiwillig genutzt werden. Außerdem sollen Abgabefristen verlängert und Prüfungen wiederholt werden können. Breiteste Unterstützung erfährt indes das Bündnis Solidarsemester 2020, hinter dem 156 Studierenden- und Interessenvertretungen stehen. Dieses fordert die Öffnung des Bafög für Studierende, die durch die Coronakrise in finanzielle Nöte geraten, die Verlängerung der Bezugsdauer von Stipendien und Promotionsförderungen und die Aussetzung des Mietzinses in Wohnheimen der Studierendenwerke. Außerdem soll ein gemeinsamer Studierendenfond von Bund und Länder ins Leben gerufen werden, der „schnelle, unbürokratische und auskömmlich gestaltete“ Soforthilfen für Studierende auszahlen müsse, für die die Krisenzeit existenzbedrohend wird. Der Forderung nach dem Solidarsemester 2020 schließt sich auch der hiesige Studierendenrat „vollumfänglich an“.
Zumindest die Hochschulgremien und -organe der Universität Leipzig sind nach wie vor arbeitsfähig. Dies bestätigte Carsten Heckmann, Pressesprecher der Universität. Rektorat, Hochschulrat, Senat und erweiterter Senat erfüllen nach wie vor ihre Basisfunktionen. Nur die Art des Arbeitens habe sich geändert. So fand die letzte Sitzung des Senats, das Organ, welches über alle grundsätzlichen Angelegenheiten der Lehre und Forschung entscheidet, per Videokonferenz statt. Selbiges gilt für den Studierendenrat, auch dieser verrichtet seine Arbeit bis auf weiteres digital.
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