Wann hat eine gute Geschichte je mit einem Salat begonnen?
Die Verfilmung der gleichnamigen Serie „Berlin, Berlin“ trotzt nur so vor Momenten des Fremdschämens. Eine große Enttäuschung für alle, die die Serie früher gerne verfolgt haben. Auf Netflix.
Vor 18 Jahren kam die Serie „Berlin, Berlin“ ins Fernsehen. Die Story ist simpel. Eine junge Frau namens Carlotta, genannt Lolle (Felicitas Woll) zieht nach ihrem Abitur nach Berlin. Und, wie soll es anders sein bei einer Vorabendserie, es dreht sich natürlich alles um die Liebe. Denn Lolle ist Expertin für komplizierte Dreieckbeziehungen. Doch am Ende löst sich alles zum Guten und sie wandert gemeinsam mit ihrer großen Liebe Sven (Jan Sosniok), der gleichzeitig ihr Cousin zweiten Grades ist, nach Australien aus.
Die Handlung des Filmes setzt etwa 20 Jahre später ein. Lolle ist zurück in Berlin. Wie sich herausstellt, ist die Beziehung mit Sven gescheitert. Nun ist sie mit Svens bestem Freund Hart (Matthias Klimsa) zusammen. Und nicht nur das, sie haben sich auch gemeinsam eine große Firma aufgebaut und sind im Begriff sich das Ja-Wort zu geben. Doch bei der Trauung taucht plötzlich Sven auf. Er will Lolle zurück. Lolle flieht vom Altar und baut einen Autounfall. Daraufhin muss sie an einer Schule Sozialstunden ableisten. Bereits am ersten Tag gerät Lolle mit ihrer Leidensgenossin Dana (Janina Uhse) aneinander. Als die beiden sich im Club aussprechen, wird Lolle wird mit Drogen aus dem Verkehr gezogen. Am nächsten Morgen finden sich Lolle und Dana im Harz wieder und versuchen nach Berlin zurückzukehren. Gleichzeitig haben Hart und Sven festgestellt, dass Lolle verschwunden ist und begeben sie sich ihrerseits auf der Suche nach Lolle in den Harz.
In einer Szene im Club wird Lolle von Dana ein Drink angeboten. Kurz zögert Lolle, doch dann greift sie zu, denn „wann hat eine gute Geschichte je mit einem Salat begonnen?“ Doch nach diesem Spruch, der zu einem der witzigsten des Filmes gehört, wird die banale Story durch die übertriebene Umsetzung einfach nur peinlich. Eine überzeichnete Szene reiht sich an die andere. Ein Blickduell zwischen den beiden weiblichen Protagonistinnen wird in ein Westernsetting eingebunden. Im Hintergrund fliegen Heuballen durch die Luft und Westernmusik erklingt. Kurz darauf werden die beiden von Crystalmeth-Dealern verfolgt, nur um sich anschließend in einer Sekte, die nackt im Wald lebt, wiederzufinden. Kein ach so witziges Thema einer „guten“ deutschen Komödie wird ausgelassen. Erfrischend ist immerhin, dass es trotz der Liebesthematik kaum kitschige Szenen gibt.
Neben der absurden Handlung gibt es jedoch ein paar Lichtblicke. Für nostalgische Serienfans wie mich ist es eine Freude, einige Personen aus dem ehemaligen Cast wiederzusehen. Auch Rückblicke lassen das Flair der Serie wiederaufleben. Und zum Glück fehlen auch nicht die Darstellungen von Gedanken und Gefühlen in Form von Comiczeichnungen, auch wenn sie nun durch Animationen ersetzt wurden. Aber dies spiegelt die Entwicklung von Lolle wider: von der jungen Frau, die davon träumt, Comiczeichnerin zu werden, und die immer pleite ist, zur gereiften Karrieristin, die mit ihren Animationen richtig Knete macht. Mag es auch eine fragwürdige Charakterentwicklung sein, so ist Lolle trotzdem noch ihren philosophischen Ausführungen über Extremsituationen treu geblieben und wenn es brenzlig wird, bleibt weglaufen der beste Ausweg.
Ähnlich wie in der Serie sind die starken Figuren des Filmes die Frauen. Hier ist es allerdings noch zugespitzter, denn alle männlichen Charaktere sind eher Lachfiguren, die letztlich vor den Frauen kapitulieren. Steckt darin eventuell ein emanzipatorischer Ansatz? Obwohl es den Frauen gelingt, für sich selbst einzustehen und zu kämpfen, dreht es sich – meiner Meinung nach –, noch zu sehr um die Anerkennung und emotionale Abhängigkeit von den Männern.
Am Ende fragt man sich doch, ob es nicht besser gewesen wäre, hätte Lolle ganz zu Beginn statt des Drinks einen Salat zu sich genommen. Dann wäre uns dieser ganze Film erspart geblieben.
Fotos: Constantin Film Verleih / Stefan Erhard
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