Immergut: Superbusen
„Superbusen“ von Paula Irmschler ist ein Poproman über Freundschaft, Musik und Jungsein in Ostdeutschland. Mit amüsanten Anspielungen auf Popkultur zeigt er ein ostdeutsches Lebensgefühl.
Die Naziaufmärsche am 26. August 2018 in Chemnitz gingen um die Welt. Zwei Tage später fand „#Wirsindmehr“ als Gegenprotest und ein Konzert mit mehr als 65.000 Menschen statt. Hier beginnt die Geschichte von Gisela aus Dresden, die nach sechs Monaten in Berlin wieder zurück nach Chemnitz kommt. Dort hat sie viele Semester mit mäßigem Erfolg Politikwissenschaften studiert, im Atomino an der Garderobe gearbeitet und Freund*innen gefunden, mit denen sie auf Demos und nicht in die Uni gegangen ist, im Supermarkt Schokocappuchino gestohlen und die Band „Superbusen“ gründet hat.
Paula Irmschler erzählt in ihrem Roman über tiefe Freundschaften, Feminismus, Existenzkrisen im Studium, Vorurteile über Ostdeutschland und über die in der Musiklandschaft vorherrschenden Männerbands. Immer wieder hatte ich beim Lesen das Gefühl, den Protagonist*innen bereits begegnet zu sein. Mal stolpert man mit ihnen betrunken über die Wiesen des Kosmonaut Festivals, sitzt mit ihnen in der unglaublich langsamen Regionalbahn von Leipzig nach Chemnitz, macht im Fotoautomaten auf der Karli Bilder oder steht mit tausenden anderen Menschen bei „Wir sind mehr“ 2018 vor der Johanniskirche in Chemnitz. Man hat mit ihnen pseudotiefgründige Gespräche auf dem WG-Balkon, sucht den günstigsten Sparpreis in der DB-App und isst das klassische ostdeutsche Kindergericht „Billige Nudeln mit Ketchupsoße und Jagdwurst“. Der Roman spiegelt das Lebensgefühl ostdeutscher Millenials wider, selten konnte ich mich so sehr mit der Gefühlswelt einer Protagonistin identifizieren. In Sachsen aufgewachsen, hadert sie mit dem Weggehen oder Bleiben in dieser polarisierenden Region Deutschlands.
Vieles im Roman ist sicherlich an Paula Irmschlers eigene Biografie angelehnt, geboren 1989 hat die gebürtige Dresdnerin selbst in Chemnitz studiert. Mittlerweile lebt sie in Köln und arbeitet als Redakteurin bei „Titanic“. Auch sie ist weggegangen aus Ostdeutschland, obwohl das in ihrem Buch immer wieder kritisiert wird. Das Gefühl der „Zurückgelassenen“ in Chemnitz wird in der Geschichte immer wieder problematisiert.
Superbusen macht unglaublich viel Spaß beim Lesen, das Buch erklärt nichts, sondern beschreibt das Leben so wie es ist. Die Erzählungen und Anekdoten aus Giselas Leben machen Lust auf die Zeit nach Corona, in der wieder am WG-Küchentisch mit Freund*innen über das Leben philosophiert werden, in Clubs getanzt und auf Konzerten mitgegrölt werden kann.
Wer das Buch so richtig fühlen will, kann die zahlreichen Songreferenzen im Buch zu Kraftklub, Britney Spears, Tocotronic, Blond und vielen anderen auf der Spotifyplaylist „Superbusen“ nachhören. Ein bisschen Melancholie ist garantiert.
Cover: Ullstein-Buchverlage
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