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  • Der Ball rollt weiter

    In diesem Jahr hat sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal gejährt. Die Nachkriegszeit hat auch die Leipziger Fußballlandschaft enormen Veränderungen unterzogen. Ein geschichtlicher Abriss.

    Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich vor den Alliierten. Viele Städte waren zerbombt und die Versorgungslage knapp. Auch Leipzig, das am 18. April 1945 von den amerikanischen Truppen eingenommen wurde, und die hier ansässigen Fußballvereine, waren stark betroffen.

    „Im April 1945 mussten die Opfer der Bombenangriffe auf dem VfB-Sportplatz abgelegt werden, weil die Friedhofskapazität erschöpft war. Da sie dort mehrere Tage Wind und Wetter ausgesetzt waren, hatte sich bald ein schlimmer Leichengeruch verbreitet“, erzählt Thomas Höpel, Professor für vergleichende Kultur- und Gesellschaftsgeschichte des modernen Europa an der Universität Leipzig.

    Der sich in der Nähe des heutigen Bruno-Plache Stadions befindende Südfriedhof war überlastet. Aus diesem Grund war 1944 ursprünglich sogar geplant, das damalige VfB-Stadion abzureißen, um Platz für einen Ausbau des Friedhofes zu haben.

    Doch der zweite Weltkrieg hat deutliche Spuren in der Leipziger Fußballwelt hinterlassen.

    Zwar wurde die seit 1933 bestehende Gaumeisterschaft, ein in verschiedene Gaue, also Regionalligen unterteilter Wettbewerb, der eine erste einheitliche oberste Spielklasse im deutschen Reich einführte, weitergespielt.

    Durch die konstante Einberufung von Spielern in den Kriegsdienst gab es allerdings bald Probleme in der Mannschaftsbildung. Einige Vereine, wie zum Beispiel der VfB Leipzig, der vom heutigen 1.FC Lokomotive Leipzig abgelöst wurde, hatten Glück und waren mit B- und C-Mannschaften ausgestattet, aus denen Spieler nachkommen konnten. Andere Vereine mussten sich mit Gastspielern aushelfen, bildeten Kriegsgemeinschaften mit anderen Vereinen oder verpflichteten in Leipzig stationierte Wehrmachtssoldaten, um mit einer vollen Elf spielen zu können.

    Nach der Ablösung der amerikanischen Besetzung am 2. Juli 1945 durch die Sowjetunion wurde  des Leipziger Sportamtes durch den Kommunisten Bruno Plache ersetzt. Höpel sagt, dass „Plache und sein Stellvertreter, der Sozialdemokrat Robert Riedel, von Beginn an auf die Zerschlagung der bürgerlichen Vereine hinarbeiteten.“

    Angestrebt wird die Kommunalisierung, also die Überführung von Privatbesitz in den Besitz der Kommune oder Gemeinde, der Leipziger Vereine, da der vom Staat unabhängige Vereinssport in der Sowjetunion gänzlich unbekannt und nicht gewollt war. Durch den Befehl des sowjetischen Oberst Morosow im August 1945 wurde den Vereinen das gesamte Vermögen entzogen, gewonnene Pokale und Medaillen wurden konfisziert. Die neue Organisation im kommunalen Sport ermöglichte außerdem das Kontrollieren der Umerziehung der Jugend und die Aussonderung von ehemaligen Nationalsozialisten.

    André Göhre, Vereinshistoriker und Mitglied des Aufsichtsrates des 1.FC Lokomotive Leipzig, damals VfB Leipzig, erzählt, dass sich viele Vereine zwar an einem erhöhten Zulauf von Spielern erfreuen konnten, da Fußballer als „Schwerstarbeiter“ galten und damit eine höhere Lebensmittelzuteilung erhielten, die Einwohner  jedoch auch „andere Probleme hatten, als sich um ‚ihren‘ VfB zu kümmern“. Die Leipziger hatten unter anderem mit einer erschwerten Versorgungslage, einem Mangel an Wasser, Lebensmitteln sowie Strom und Gas zu kämpfen. Große Teile der städtischen Infrastruktur und des Wohnraumes waren komplett zerstört.

    Höpel erläutert, dass die erste Sportveranstaltung nach Kriegsende ein Fußballspiel einer Leipziger Stadtauswahl gegen die Stadtauswahl von Dessau im Juni 1945 vor 8000 Zuschauern war. Der Leipziger Sportdirektor Bruno Plache sprach zur Begrüßung einige Worte. Im November 1945 begann dann die Leipziger Kreismeisterschaft.

    Noch im selben Jahr bildeten ehemalige VfB-Mitglieder wie Erich Dobermann, Martin Schön und Herbert Gabriel die Sportgemeinschaft Probstheida. Damit blieb eine gewisse Wiedererkennung in den personellen Strukturen des ursprünglichen Vereins bestehen.

    Da Sportveranstaltungen in Leipzig von der zentralen sowjetischen Militärregierung genehmigt werden mussten, waren Reisen zu Wettkämpfen außerhalb des Stadt- und Landkreises untersagt, was den Spielbetrieb erheblich behinderte. Ab 1946 gab es allerdings einzelne Ausnahmen. „Überregionale Vereins-Fußballspiele waren erst ab 1948 mit der „Ostzonen-Meisterschaft“ wieder möglich. Bis dahin wurde sich lediglich auf Stadtmeisterschaften, Städte-Spiele oder „nationale Fußball-Vergleichskämpfe beschränkt“, berichtet Göhre. Die Ostzonen-Meisterschaft war von der FDJ mit Erlaubnis der sowjetischen Militäradministration organisiert worden, daher spielten viele Leipziger Mannschaften unter der Fahne der FDJ, was den meisten aber herzlich egal war. Das am 4. Juli 1948 in Leipzig ausgetragene Finale erreichte keine der hier ansässigen Mannschaften, die Sportgemeinschaft Planitz aus dem heutigen Zwickau gewann das Spiel gegen die SG Freiimfelde Halle.

    Höpel erklärt, dass in den späten 1940er Jahren mehrere Sportgemeinschaften zusammengefasst wurden, um deren Finanzierung zu sichern. Im Leipziger Westen und Südosten entstanden mit der BSG Chemie Leipzig und der Einheit Ost die beiden zentralen Fußballklubs. „Das knüpfte an die Rivalität zwischen dem 1932 gegründeten sozialdemokratisch unterstützten Verein SV Tura in Leutzsch und dem bürgerlichen Verein VfB Leipzig in Probstheida, der vom Besitzer der rechtskonservativen Leipziger Neuesten Nachrichten unterstützt wurde, an.“

    Der 1.FC Lokomotive Leipzig, der sich als Nachfolger des ehemaligen VfB versteht und aktuell Tabellenzweiter in der Regionalliga Nordost ist, ist einer der Leipziger Vereine, der in seiner, wenn auch teilweise unterbrochenen, Geschichte sowohl die NS-Zeit als auch die sowjetische Besatzung überstanden hat. Zu Beginn des Krieges wurden neun Stammspieler zum Kriegsdienst einberufen, das Stadion sollte abgerissen werden und zum Ende des Krieges war der Verein durch Enteignungen quasi mittellos. Lösungen wurden gefunden und Möglichkeiten taten sich trotzdem immer auf.

     

    Titelfoto: „125 Jahre – Vom VfB zum 1.FC Lokomotive Leipzig“, Archiv 1.FC Lokomotive Leipzig

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