Tausende in Leipzig gegen Rassismus auf der Straße
Unter dem Motto „Black Lives Matter“ versammelten sich am Sonntag über 15.000 Menschen in der Leipziger Innenstadt, um ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt zu setzen.
Schon kurz vor 13 Uhr versammelten sich gegenüber dem Hauptbahnhof auf dem Willy-Brandt-Platz mehrere tausend Menschen zur Black-Lives-Matter-Demo. Organisiert wurde die Demo von einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen, darunter die Initiative Schwarzer Menschen Leipzig (ISD), der Migrantifa Leipzig sowie BIPOC-Leipzig.
„Wir wollen den rassistischen Mord an George Floyd anprangern und uns mit den Menschen, die grade in den USA protestieren, solidarisieren. Auch hier ist rassistische Gewalt leider immer noch an der Tagesordnung – gerade durch die Polizei“, sagt Biko Antoni, einer der Redner*innen der Demonstration, im Gespräch mit luhze. Während seiner Rede auf dem komplett gefüllten Marktplatz prangerte er vor allem dem im System verankerten Rassismus an. Sicherheitsbehörden stellten eher eine Gefahr als ein Schutzschild dar. Es handele sich bei den rassistischen Vorfällen innerhalb der Polizei keineswegs um Einzelfälle.
Eine weitere Forderung der Demonstration sei deshalb die Errichtung „einer unabhängigen Beschwerdestelle für Betroffene von rassistischer Polizeigewalt“, erklärt Larissa Nägler von ISD Leipzig gegenüber luhze. „Das Kernproblem von speziell rassistischer Polizeigewalt besteht darin, dass die Betroffenen es schwierig haben, ihre Rechte wahrzunehmen und Anzeige zu erstatten.“
Immer wieder hallen die Parolen der Demonstrierenden durch die Innenstadt. „No Justice, No peace“ und „Say his name – George Floyd” rufend, zieht der Demonstrationszug vom Bahnhof in Richtung Marktplatz.
Um darauf aufmerksam zu machen, dass rassistische Polizeigewalt auch hierzulande eine Gefahr darstellt, nennen die Demonstrierenden neben George Floyds Namen auch immer wieder den Namen von Oury Jalloh, der 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben kam. Laut polizeilicher Darstellung habe Jalloh die Matratze, auf der er gefesselt worden war, selbst in Brand gesteckt, jedoch stellen Brandgutachten dies infrage. Ein forensischer Bericht ergab 2019, dass Jalloh vor seinem Tod durch die Flammen massiv misshandelt worden sein. Es kam jedoch lediglich zu einer Verurteilung aufgrund fahrlässiger Tötung durch Unterlassung gegen einen Polizisten, er erhielt eine Geldstrafe. Ein ebenfalls angeklagter Kollege wurde freigesprochen.
Auf dem Marktplatz angekommen gibt es eine etwa einstündige Zwischenkundgebung, bevor die Demo weiter bis vor die Tore des Bundesverwaltungsgerichts auf den Simsonplatz zieht. Eine der Redner*innen auf dem Markt ist Aisha. „An dem Tag, an dem George Floyd ermordet wurde, ist etwas in mir erwacht. Die Erkenntnis, dass ich mein eigenes Schweigen nicht mehr aushalte“, sagt sie. „Es ist immer richtig, seine Stimme zu erheben, weil die Gefahr real ist, im Kleinen wie im Großen. Unser Schweigen schützt uns nicht. Die Gefahr wird immer da sein, aber auch unsere Worte.“ Hier zitiert sie die US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde.
Wie auch Aisha berichten viele weitere in emotionalen Reden von ihren alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus. Manche von ihnen nennen ihre Namen, andere wollen lieber unerkannt bleiben, doch alle sind überwältigt von der großen Anteilnahme der Leipziger*innen am Sonntagnachmittag.
Gegen 16 Uhr erreicht die Demonstration den Simsonplatz, es folgen weitere Redebeiträge, bis die Versammlung gegen 18 Uhr für beendet erklärt wird.
„Wir haben uns sehr gefreut, dass viele People of Color da waren, genauso wie solidarische weiße Menschen“, sagt Biko Antoni. Nachdem auf Facebook nur knapp 4 .000 Personen zur Demonstration zugesagt hatten, freuten sich die Veranstalter um so mehr über die hohe Teilnehmerzahl. Da grade in Sachsen in den letzten Jahren besonders rechte Demos Zulauf bekommen hätten, sei die Beteiligung am Sonntag ein gutes Zeichen. „Da nimmt Leipzig wieder eine Vorreiterrolle ein“, so Larissa Nägler.
Fotos: Annika Seiferlein
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