Immergut: Leben wär‘ eine prima Alternative
Wir verraten euch weiterhin wöchentlich die besten Medien, um den Corona-Blues zu vertreiben – diese Woche das Werk „Leben wär‘ eine prima Alternative“ von Maxie Wander.
Fast hätte sich dieser Text um Monty Pythons „Das Leben des Brian“ gedreht. Doch dann kam eine Autorin in mein Leben. Sie heißt Maxie Wander, und ihr Werk „Leben wär‘ eine prima Alternative“ hat zwei Dinge mit dem von mir ebenfalls verehrten Filmklassiker gemeinsam: Das „Leben“ im Titel und die Aneinanderreihung großartiger, zitierbarer Sätze. Statt „Jeder nur ein Kreuz“ und „Schwanzus Longus“ geht es Maxie Wander allerdings in ihrer Arbeit weniger um Gags, sondern um Gedanken, denn davon machte sie sich eine Menge. Und dankenswerterweise brachte sie diese Gedanken in Wortform und aufs Papier.
„Leben wär‘ eine prima Alternative“ sind Briefausschnitte und Tagebucheinträge von Maxie Wander, zusammengestellt und veröffentlicht nach ihrem Tod von Fred Wander, ihrem Ehemann. Sie hat ihren Erfolg als Autorin nur noch kurz miterlebt. Als sie 1977 ihr erstes Buch „Guten Morgen du Schöne“ veröffentlichte, war sie 44 Jahre alt und bereits im Endstadium ihrer Brustkrebserkrankung. Wander war überzeugte Kommunistin, sie lebte zunächst in Wien und anschließend in der DDR, wo sie die Texte aus „Leben wär‘ eine prima Alternative“ verfasste. Auf wenig Raum kuscheln sich komplexe Selbstreflexionen dicht aneinander, das ist das große Talent von Wander. Oft hat man den Eindruck, ihre eigenen Gedanken laufen ihr davon, und sie versucht sie mit der Schreibmaschine wieder einzufangen. Sie schreibt ungeschminkt über Ängste, über die verzweifelte Suche nach ihrer Identität als Frau, über Politik. Radikale Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, in einem Staat, in den sie große Hoffnungen setzte und der sie oft schwer enttäuschte.
Was das Buch so wertvoll für mich macht, sind die Zeilen selbst, aber auch die Räume dazwischen. Ich unterstrich beim Lesen, schrieb ganze Passagen ab, fand mich wieder, fühlte mit ihr und fühlte mich verstanden. Zwischen den Zeilen steht das Ringen um das „wahre“ Leben. Bevor ich ihre Bücher gelesen hatte, dachte ich, dass ich – um eine emanzipierte Frau zu sein – alles auf einmal hinkriegen muss. Maxie Wander lehrte mich, dass das für viele Frauen in der DDR bereits Alltag war. Und dass Feminismus etwas ganz anderes von einem will. Unter anderem, dem nachzuspüren, wonach man sich sehnt etwa, und genau das zu tun, anstatt einem gesellschaftlichen Rollenbild zu entsprechen. „Wenn du wüsstest, wie gierig ich bin auf Ruhe und Arbeit und eigene Zeit, die mir gehört“, schreibt sie 1937 einer Freundin. Dadurch, dass sie alles ausspricht, dass sie Ungerechtigkeit feststellt, vermittelt sie, wie ernst sie sich selbst und ihre Gefühle nimmt. Besonders beeindruckte mich, dass sie sich mutig und frei bewegte und trotzdem Schwere und Melancholie immer pragmatisch mit sich trug. „Wie willst du ein Mensch werden ohne Schmerzen?“, fragt sie sich. Und stellt fest: „Wie doch irgendwo in uns die Grenzen zwischen Schmerz, Verzweiflung und Genießen (bis in den Schmerz hinein) ineinanderfließen.“
Die gesamte Anzahl Maxie Wanders Bücher beläuft sich auf drei. Zwei habe ich gelesen – das dritte, „Ein Leben ist nicht genug“, hebe ich mir für schwere Zeiten auf. Damit ich dann mit Maxie Wanders bewundernswerten Passagen aus ihrem Tagebuch und ihren Briefen meine eigenen Tagebücher und Briefe füllen kann.
Cover: Suhrkamp
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