Kommunalpolitik vom Schreibtisch aus
Kommunalpolitiker*innen in Leipzig haben in den letzten Wochen neue Wege gefunden, trotz Corona weiter Politik zu machen. Viele neue Möglichkeiten, bei denen aber der persönliche Austausch fehlt.
Politiker*innen in Leipzig mussten aufgrund der Pandemie neue Möglichkeiten finden, wie Kommunalpolitik im Rahmen der Kontaktbeschränkungen gestaltet werden kann. Die Sitzungen im Stadtrat, Gremien, Ausschüssen und Jugendparlament wurden zum Großteil in Videokonferenzen abgehalten. Die drei jungen Kommunalpolitiker*innen Christina März (SPD), William Rambow (Linke) und Quentin Kügler (Grüne) haben unterschiedliche Erfahrungen mit diesen neuen digitalem Wegen der Politik gemacht.
Der 20-jährige Lehramtsstudent Quentin Kügler ist seit fünf Jahren Mitglied und seit letztem April Sprecher des Leipziger Jugendparlaments. Das Jugendparlament trifft sich normalerweise alle zwei Wochen zu öffentlichen Sitzungen im Neuen Rathaus. Die Mitglieder nehmen aber auch an vielen anderen Terminen, Gremiensitzungen und Treffen der Arbeitsgruppen im Jugendparlament teil. Die Kontaktbeschränkungen waren eine große Umstellung für die engagierten Mitglieder. „Von vielen Terminen pro Woche, hatte man plötzlich gar keine mehr“, erzählt Kügler. Besonders schmerzhaft war für viele die Absage des Festakts „5 Jahre Jugendparlament“, der am 30. April stattfinden sollte. Nach einer Überarbeitung der Website des Jugendparlaments können die Gremientreffen und Arbeitsgruppen jetzt in Videokonferenzen stattfinden.
Auch Politik- und Wirtschaftsstudent William Rambow ist über das Jugendparlament zur Kommunalpolitik gekommen. Mittlerweile sitzt er für die Linken im Stadtrat. „Durch Corona hat sich viel verändert, zu Beginn fanden gar keine Stadtratssitzungen mehr statt“, erzählt der 23-Jährige.
Die Ratsversammlung bestehend aus 70 ehrenamtlichen Stadträt*innen, den Ortsvorsteher*innen, den sieben Bürgermeister*innen und dem Oberbürgermeister (OBM), kommt gewöhnlich alle drei vier Wochen zusammen. Im zweiwöchigen Rhythmus tagen die Ausschüsse. Zu Beginn wurde alles komplett eingestellt, Oberbürgermeister Burkhardt Jung konnte notwendige Entscheidungen Maßnahmen mithilfe von Eilentscheidungen selbst treffen, zum Beispiel die Eröffnung eines vierten Frauenhauses wie Jung im Interview mit luhze berichtet. Vieles wurde anschließend auf Videokonferenzen umgestellt. Da Entscheidungen in Stadtratssitzungen gesetzlich nicht per Video getroffen werden können, finden die Ratssitzung derzeit in der Kongresshalle am Zoo Leipzig statt.
Stadträtin Christina März (SPD) berichtet, dass in der Kongresshalle umfangreiche Hygienemaßnahmen getroffen wurden. Außerdem herrscht eine andere Atmosphäre, teilweise sitzt man sehr weit von den Redner*innen entfernt. Die Jurastudentin fiebert den Präsenzsitzungen entgegen, „dort sind Debatten oft einfach lebendiger, wenn man sich face-to-face gegenübersitzt“, erklärt die 24- Jährige. Für sie waren die oft stundenlangen Sitzungen per Videokonferenz zu Hause am Schreibtisch eine große Herausforderung für die Aufmerksamkeit. Rambow und Kügler fehlt besonders der persönliche Austausch. „In Präsenzsitzungen ist viel mehr möglich, da kann ich mit der Nachbarin was absprechen und in der Pause auch über persönliche Dinge sprechen. Im Jugendparlament sind wir nicht nur Kolleginnen und Kollegen, es haben sich auch Freundschaften gebildet“, erzählt Kügler.
Trotzdem sehen die drei jungen Politiker*innen auch Vorteile in den neuen digitalen Möglichkeiten. Kügler war erstaunt, dass an den Sitzungen in Videokonferenzen mehr Mitglieder des Jugendparlaments als sonst teilnehmen. Die drei würden es befürworten, wenn in Zukunft einige der neuen Arbeitsweisen beibehalten werden könnten. „Man ist flexibler, kann es besser mit der Arbeit verbinden und auch die Kinderbetreuung von einigen Kolleg*innen ist einfacher“, erklärt März. Besonders Wegzeiten spart man sich durch die digitalen Absprachen ein.
„Wenn es informativere Sitzungen sind, wo kein Diskussionsbedarf besteht, sind solche Videokonferenzen eine gute Möglichkeit“, sagt März. Der Stadtratsbeschluss dafür läuft allerdings jetzt aus, seit Anfang Juni können alle Sitzungen wieder unter Einhaltung der Maßnahmen in Präsenz stattfinden.
„Unmittelbare, sofortige Veränderung hat das Ganze nicht bewirkt“, schlussfolgert Rambow.
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