Couchsurfing mit (Un)sicherheit
Das Netzwerk Couchsurfing verlangt ab Mai einen Mitgliedsbeitrag von den registrierten Couchsurfer*innen. Dieses Geld sollte in mehr Sicherheit gesteckt werden, findet Kolumnistin Paula.
Wenn ich reise, dann übernachte ich statt in Hostel- oder Hotelbetten lieber auf fremden Sofas, Matratzen oder Gästebetten. Ich couchsurfe. Nach meinem Abitur vor zwei Jahren habe ich auf einer Interrailtour das erste Mal couchgesurft und mich schnell in diese Art des Reisens verliebt. In Toulouse habe ich bei einem argentinischen Astrophysiker übernachtet, der in seiner Wohnung mehr als 60 E-Gitarren stehen hatte, obwohl er gar nicht Gitarre spielen konnte. In Brüssel habe ich bei einer 18-Jährigen übernachtet, die gerade auf ein Haus und drei Hunde aufgepasst hat. In Paris habe ich auf einem Dach in der Nacht dem Eifelturm beim Glitzern zugesehen. Für Studierende wie mich, die nur eine knappe Reisekasse haben und gerne Menschen an den Reiseorten kennenlernen, ist die Plattform eine großartige Möglichkeit.
Seit 14 Jahren stellen auf Couchsurfing Menschen ihre Wohnung kostenlos Reisenden aus aller Welt zur Verfügung. Ein Ort, an dem Menschen zusammentreffen, die neue Bekanntschaften schließen und in fremde Kulturen eintauchen wollen. Durch die Pandemie fallen Couchsurfing die Reisenden weg. Der Plattform, die notgedrungen 2014 Werbung eingeführt hat, um ihre hauptamtlichen Mitarbeiter*innen zu bezahlen, fehlen jetzt diese Werbemittel. Anfang Mai erreichte eine Mail alle Mitglieder von Couchsurfing: Ab 14. Mai muss für die Benutzung der Website ein monatlicher Mitgliedsbeitrag von 2,50 Euro gezahlt werden. Ein großer Schritt für die Couchsurfing-Community, bisher war die Benutzung der Plattform weitestgehend, mit Ausnahme der Verifizierung, kostenlos.
Ich bin bereit den neuen Mitgliedsbeitrag zu zahlen, erwarte mir aber auch, dass Couchsurfing endlich größere Maßnahmen ergreift, um das Reisen sicherer zu machen. Wenn ein Großteil der 12 zwölf Millionen Nutzer*innen die Mitgliedsbeiträge bezahlt, dürfte die Plattform auch genug Geld haben, Mitarbeiter*innen einzustellen, die sich um die Sicherheit der Reisenden kümmern.
Auch wenn es in Zeiten der Pandemie nicht empfohlen wird, werden auch in diesem Jahr wieder Reisende couchsurfen. Seit dem 15. Juni sind die Grenzen zu vielen europäischen Ländern wieder geöffnet, der Sommer steht vor der Tür, die Semesterferien sind in greifbarer Nähe. Die Couchsurfing- Community wird oft als ein Ort der Toleranz zelebriert, trotzdem erschüttern immer wieder Berichte über Übergriffe die Gemeinschaft.
Meine Erfahrungen sind sehr unterschiedlich.Ich habe bisher viele interessante Menschen kennengelernt, bin aber auch schon mehrere Male auf Hosts gestoßen, die mir stundenlang von Weltverschwörungen erzählt haben und die Plattform dazu genutzt haben, ihre antisemitischen und rassistischen Weltanschauungen zu teilen. Bizarre Erfahrungen mit Menschen, die sich als „weltoffen“ bezeichnen, im gleichen Satz aber Intoleranz gegenüber Geflüchteten, Homosexualität, Frauen oder anderen Religionen äußern. Auch Anfragen von Reisenden oder Hosts, ob man denn nicht einem Bett schlafen könne, sind keine Seltenheit. In Irland wurde unsere geplante Übernachtung urplötzlich abgesagt, nachdem der Host meine Freundin kennengelernt hatte, sie hat wahrscheinlich nicht in sein „Beuteschema“ gepasst.
Ich liebe die Idee von Couchsurfing, es muss sich aber noch viel ändern. Das Reisen muss sicherer werden. Dafür wäre es sinnvoll, wenn die Verifizierung besser und verpflichtend wird, bisher sind nur wenige Nutzer*innen verifiziert und die derzeitige Verifizierung heißt eigentlich nur, dass Couchsurfing dem Mitglied eine Postkarte an die angegebene Adresse senden kann. Das bedeutet nicht, dass die Person überhaupt existiert. Eine Gefahr für die Reisenden und Gastgeber*innen. Außerdem könnten Chats nach kritischen Inhalten gefiltert und Nutzer*innen bei Verstößen gesperrt werden. Bis es soweit ist, ist es wichtig, beim Couchsurfing auf sein Bauchgefühl zu hören und zu gehen, wenn irgendetwas seltsam erscheint.
Natürlich kann ich mir nie sicher sein, wie die Menschen sind, die mir beim Couchsurfing begegnen, aber ich sollte Sicherheit erwarten dürfen. Aktuell sollte man es sich doch sehr genau überlegen, ob Couchsurfing in den nächsten Monaten wirklich sein muss, noch stecken wir mitten in einer Pandemie. Ich werde in diesem Jahr schweren Herzens darauf verzichten.
Titelfoto: Pixabay
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