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  • „Viel Rückhalt in der Gesellschaft“

    Wegen der Coronakrise kann die Fridays for Future-Bewegung nicht wie gewohnt auf der Straße demonstrieren. luhze-Redakteurin Nele Sikau sprach mit Aktivistin Annelie Berger über die Zukunft von FFF.

    Annelie Berger ist 18 Jahre alt, Abiturientin und Mitglied bei Fridays for Future. Im Interview spricht luhze-Redakteurin Nele Sikau mit ihr über neue Herausforderungen und wie es nach der Pandemie mit der Bewegung weitergehen wird.

    luhze: Aufgrund der Pandemie konntet ihr lange nicht auf der Straße demonstrieren. Wie hat das Fridays for Future verändert?

    Annelie Berger: Ich glaube, dass es verschiedene Teile der Bewegung unterschiedlich verändert hat. Auf Bundesebene läuft generell viel online, zum Beispiel über Telefonkonferenzen. Besonders war es jetzt für die Ortsgruppen, weil auch wir unsere Treffen digital stattfinden lassen müssen. Unsere Strukturen haben sich auch verändert. Es gibt Arbeitsgemeinschaften, was in den Telefonkonferenzen nicht wirklich möglich ist. Wir sind eher zu einem großen Kreis geworden.

    Wie streikt ihr seitdem?

    Es gab verschiedene Formate. Wir haben erstmal gesagt, dass wir die großen Proteste und generell Präsenzaktionen aussetzen, weil es einfach zu viel Kontakt untereinander gegeben hätte. Wir wollen auf die Wissenschaft hören und wollen auch, dass die ältere Generation uns gegenüber Solidarität zeigt. Deswegen ist es nur logisch, dass wir es andersherum genauso machen. Jetzt laufen die Proteste langsam wieder an. Wir sind bei weitem noch nicht so groß wie vor Corona, weil auch der Kreis an planenden Personen momentan kleiner ist. Eine Demo mit 10.000 Leuten ist natürlich weiterhin aufgrund der Pandemie kritisch zu sehen. Wir werden versuchen, langfristiger zu planen und die Teilnehmer*innenzahl wieder zu steigern.

    Habt ihr an Unterstützung verloren?

    Ich würde vom Gefühl her sogar das Gegenteil behaupten. Es werden durch Corona ziemlich viele Probleme sichtbar, aber auch dass es vielen Menschen wichtig ist, einen gerechten Weg aus der Krise zu finden, einen klimagerechten. Natürlich steht die Pan­demie gerade im Vordergrund, aber viele Menschen haben den Klimawandel weiterhin auf dem Schirm. Auch dass die Maßnahmen der Bundesregierung in Sachen Klima sich nicht wirklich mit unseren Forderungen decken, bemerkt ein großer Teil der Öffentlichkeit. Wir haben noch ziemlich viel Rückhalt in der Gesellschaft. Wenn wir jetzt wieder so mobilisieren würden wie vorher, würden wir auch so viele Menschen wie davor auf die Straße bekommen.

    Was habt ihr hier in Leipzig erreicht? Und wurde davon manches durch Corona wieder zer­stört?

    Wir haben meiner Meinung nach schon viel erreicht. Trotzdem ist es natürlich immer ein wenig ernüchternd, weil es doch oft weniger ist, als man sich wünschen würde. Wir machen eher kleine Schritte. Den Ausruf des Klimanotstands haben wir miterwirkt, was ich als große Errungenschaft von Fridays for Future Leipzig sehen würde. Etabliert wurde auch ein Klimarat, eine Art Gre­mium mit beratender Funktion in Klimafragen der Stadtverwaltung. Darin ist auch Fridays for Future mit zwei Mitgliedern vertreten, wodurch wir auch da unsere Forderungen einbringen können. Wir hätten dieses Jahr definitiv noch sehr viel mehr vorgehabt, wir wollten eine Kampagne entwerfen und strategisch etwas in der Kommunalpolitik bewirken. Wir werden nach Corona versuchen, an diesen Vorhaben wieder anzuknüpfen. Gerade, was ÖPNV oder Fahrradwege angeht: dass man mehr macht, wo es im Rahmen der Kommunalpolitik geht.

    Wie wird es jetzt weitergehen?

    Momentan haben wir noch keine genaue Strategie. Worum es Fridays for Future insgesamt geht, ist ein nachhaltiger Weg aus den Krisen. Was wir schon in Teilen verhindert haben, ist, dass wieder klimaschädliche Industrien wie die Autoindustrie gefördert werden. Beim Flugverkehr ist uns das leider nicht gelungen. Wichtig ist, dass Maßnahmen getroffen werden, die zur Klimagerechtigkeit führen und nicht zum Gegenteil. Was wir jetzt tun, wird die nächsten Jahre bestimmen, deswegen müssen wir jetzt Druck auf die Politik ausüben.

    Kann man Lehren aus der Coronakrise für den Umgang mit der Klimakrise ziehen?

    Zum Teil. Anfangs konnte man das besser vergleichen. Da hat ein Großteil der Bevölkerung noch sehr gut auf die Wissenschaft gehört. Politiker*innen und Wissenschaftler*innen haben Presse­konferenzen abgehalten, in de­nen die Lage erklärt wurde. Diese Kommunikation zwischen den Politiker*innen und der Bevölkerung ist sehr wichtig. Man muss erklären, was jetzt gemacht wird und warum diese Maßnahmen wichtig sind. Mittlerweile sieht man, wie Lobbyarbeit und klimaschädliche Industrien wieder ihre Vorteile beim Weg aus dem Shutdown erlangt haben. Das sollten wir beim Klima anders machen, wir sollten auf die Wissenschaft hören. Wir müssen aus Corona lernen, dass diese Überflussgesellschaft nicht die Lösung ist. Ich weiß nicht, ob Corona schon krass genug ist und die Menschen das wirklich schon verstehen. Man konnte bei der Corona­krise in Ansätzen sehen, wie sich soziale Unterschiede verschärfen, was man eigentlich sehr gut auf die Klimakrise übertragen könnte. Da wird es aber noch viel krasser sein.

     

    Foto: privat

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