Der Preis der Wissenschaft
Ist wissenschaftlicher Fortschritt gut oder schlecht? Dieser Frage geht der Film „Elemente des Lebens“ auf selbstkritische Art nach und entwirft so ein ungewöhnliches Biopic über Marie Curie.
Nahezu alle kennen den Namen Marie Curie. Dutzende Male wurden ihr Leben, ihre Errungenschaften bereits verfilmt. Mit „Elemente des Lebens“ wurde nun der Stoff um die Nobelpreisträgerin erneut aufgegriffen. Anders als bei typischen biografischen Verfilmungen, die das Leben chronologisch von klein auf begleiten, setzt der Film bereits zu ihrer Zeit an der Universität in Paris an und zeigt eine ehrgeizige, aber auch sehr egozentrische Frau.
Die Physik und die Forschung sind alles für Marie (Rosamund Pike) und in Pierre Curie (Sam Riley) findet sie bald einen Gleichgesinnten. Gemeinsam beginnen sie zu forschen und aus einem Arbeitsverhältnis wird schnell ein Liebesverhältnis. Doch trotz allen Glück und später zwei Kindern sind Pierre und Marie vor allem der Wissenschaft zugetan. Marie entdeckt schließlich ein neues Element und nennt es Radium. Ein Nobelpreis wird verliehen, jedoch nur für Pierre. Als dieser durch einen plötzlichen Unfall verstirbt, ist Marie auf sich allein gestellt. Mit den Kindern, ihrer Forschung und der Trauer.
Rosamund Pike blüht in dieser Rolle auf, als wäre sie nur für sie geschrieben worden und zeigt eine selbstbestimmte starke Frau der ganzen anderen Art. Der gesellschaftliche Unterschied zwischen Männern und Frauen vom späten 19. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert wird schonungslos gezeichnet. Während der Familie zu Pierres Lebzeiten alles zu gelingen scheint, wird die Zeit ohne ihn hart und unerbittlich gegenüber einer alleinstehenden Frau dargestellt. Neue Liebesbeziehungen werden mit Verachtung betrachtet. Bald sieht sich Marie einer wahren Hexenjagd ausgesetzt.
Doch neben all der Gesellschaftskritik des 20. Jahrhunderts ist es natürlich die Wissenschaft, die zentral im Vordergrund steht. Aus heutiger Sicht scheint es absurd, welch eine Beliebtheit sich Radioaktivität damals erfreute. Im Film werden die unglaublichsten Dinge mit Radium versetzt gezeigt. Schokolade und Kosmetik, nahezu überall ist Radium präsent als Wundermittel. Doch nach dem großen Erfolg schleichen sich nach einiger Zeit auch die ersten medizinischen Schädigungen unter anderem bei Kollegen von Marie ein.
Mit Bravour durchbricht der Film immer wieder die starre chronologische Erzählung von Maries Leben und gibt Ausblicke auf die Konsequenzen von Radioaktivität, um mit Tschernobyl, Hiroschima und den schaulustigen Atomtests in Nevada nur einige zu nennen. Der Film wertet hier jedoch nicht. Vielmehr zeigt er ebenfalls die erbrachten Fortschritte wie beim Röntgen von Verletzten im Zweiten Weltkrieg.
Herausragend ist ebenfalls die ab und an surrealistische Darstellung, die farbenprächtig in die Wirklichkeit eingreift und sowohl der Radioaktivität, als auch Maries Trauer Ausdruck verleiht. Das kleine Fläschchen Radium, im Dunkeln unheimlich grün leuchtend, wird zum Symbol der Liebe einer Wissenschaftlerin, welche nicht am Arbeitsplatz verbleibt und die der Liebe zu den eigenen Kindern übergeordnet ist.
Letztendlich stellt sich für Marie, für Pierre und auch für den Zuschauer die Frage: Ist es gut immer weiter zu forschen, um die Natur verstehen zu können? Ist Wissenschaft um der Wissenschaft Willen wirklich die Konsequenzen wert? Der Film verbleibt mit moralischen Fragen, die schwierig zu beantworten sind und regt dadurch sehr gut zum Nachdenken an. Letztendlich zeigt sich mit „Elemente des Lebens“ ein selbstkritischer Film, der sehr viel mehr ist als nur ein Biopic.
Ab 16. Juli im Kino
Fotos: Studiocanal/Laurie Sparham
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